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Georges Adéagbo. À la rencontre de l’art
Qu’est-ce qu’est l’art? Une manière de parler avec son prochain, sans devenir son ennemi.
05.09.2017 – 08.10.2017
Eröffnung: Montag, 4. September 2017, 19 Uhr Es sprechen: Dr. Martin Faass (Kulturpreis), Katja Schroeder (Künstlerische Leitung, Kunsthaus Hamburg)

„L’art est dans la nature! C’est l’art qui fait l’artiste. Ce n’est pas l’artiste qui fait l’art!” (Georges Adéagbo)

Anlässlich der Verleihung des diesjährigen Kunstpreises Finkenwerder an Georges Adéagbo zeigt das Kunsthaus Hamburg die erste umfangreiche Einzelausstellung des Künstlers in seiner Wahlheimatstadt Hamburg.

Die raumgreifenden Assemblagen von Georges Adéagbo, die er meist ortsspezifisch installiert, lassen sich als assoziative kulturgeschichtliche Puzzles beschreiben. Die einzelnen Fragmente seiner oft groß angelegten Materialcollagen setzten sich aus Schriftstücken, Fotos, Büchern, Gemälden und Objekten zusammen. Diese sammelt Adéagbo unter anderem auf Reisen, Flohmärkten, im Alltag und in Antiquariaten, bevor er sie thematisch sortiert und zu diskursiven, aber auch subjektiven Erzählungen zusammensetzt. Mit seinen Installationen porträtiert er häufig unter anderem Musiker, Politiker und namhafte europäische Philosophen oder er nimmt sich abstrakte Konzepte wie Fremdheit, Globalisierung und Kolonialismus vor. Die Arbeitsweise Adéagbos kann als nie ganz abgeschlossener Prozess verstanden werden, der die einzelnen Elemente der Installationen nur temporär zu einer fixierten Form zusammenfügt.

Im Kunsthaus Hamburg werden vor dem Hintergrund der persönlichen Biografie des aus Benin (Westafrika) stammenden Künstlers vor allem zwei umfangreiche Werkgruppen zu sehen sein, die in einen neuen Bezug zueinander gesetzt und um ortsbezogene Fundstücke und aktuelle Zeitdokumente erweitert werden. In L’Allemagne avant la Guerre et l’Allemagne après la Guerre (Deutschland vor dem Krieg und Deutschland nach dem Krieg), 2013 beschäftigt sich Georges Adéagbo mit der Kultur(-geschichte) Deutschlands und mit Beispielen identitätsstiftender Symbolik. In einer raumgreifenden Assemblage verwebt er lokale kulturelle Klischees, Artefakte und Dokumente mit jenen aus Westafrika. In ähnlicher Weise nähert er sich in der Werkgruppe Globale Imagination: La Défense…! (Globale Vorstellungswelten: Die Verteidigung…!), 2015 der postkolonialen Geschichte Europas im Bezug zu Afrika.

In der Ausstellung im Kunsthaus wird es neben der Frage der kulturellen Identität auch um das Selbstverständnis als Künstler gehen. Mit dem Titel der Ausstellung (dt. Kunst als Ort der Begegnung) weist er darauf hin, dass der – vor allem westlich geprägte – Begriff der Kunst nur eine von vielen möglichen Definitionen ist, um seine tägliche Praxis des Reflektierens, Sammelns und Arrangierens von „kulturellen“ Fundstücken zu beschreiben. Er selbst bezeichnet sich auch gerne als Archäologe, wählt aber die Kunst als Kommunikationsmittel, da sie seiner Auffassung nach in der Lage ist, auf subtile Weise Kritik zu üben, ohne zu konfrontieren („Qu’est-ce qu’est l’art? Une manière de parler avec son prochain, sans devenir son ennemi“).

In Adéagbos Arbeiten begegnen sich akademische Diskurse und Alltagskultur stets auf Augenhöhe. Durch die Art und Weise, wie der Künstler seine unterschiedlichen Referenzen und Artefakte arrangiert und mit eigenen Texten kommentiert, entstehen Erzählungen, die einer einseitigen Leseweise der Geschichte entgegentreten. Während der letzten 25 Jahre hat er damit nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem postkolonialen Erbe Europas geleistet, sondern auch die Betrachtungsweise „afrikanischer“ Kunst im westlichen Kunstkontext herausgefordert. Indem er die Rolle des kolonialen „Entdeckers“ umkehrt, dekonstruiert Adéagbo die gegenseitigen Klischees und Projektionen auf das jeweils „Andere“.

Kuratiert von Katja Schroeder (Künstlerische Leitung, Kunsthaus Hamburg), Stephan Köhler (Kulturforum Süd-Nord e.V.)

Georges Adéagbo (*1942) hat keinen klassischen künstlerischen Werdegang absolviert und erhielt von der internationalen Kunstwelt erst spät Aufmerksamkeit. Ohne sich als Künstler zu betrachten, entwickelte er in Cotonou ganz unabhängig seine tägliche Praxis des Denkens mit gefundenen Objekten, Bildern und Texten. Seit Mitte der 1990er Jahre war er regelmäßig in namhaften Ausstellungen vertreten und erhielt 1999 als erster afrikanischer Künstler für seine Teilnahme bei der 48. Biennale von Venedig eine Auszeichnung. 2002 war er mit einer In-Situ-Installation auf der Documenta 11 vertreten und hatte unter anderem Einzelausstellungen im Museum Ludwig, Köln (2004), MAK, Wien (2009), MUSAC, Leon (2011), Moderna Museet, Stockholm (2014), Israel Museum, Jerusalem und war zuletzt auf der Shanghai Biennale (2016) vertreten. Er gehört damit zu den bekanntesten Künstlern Westafrikas mit internationaler Reputation. In Hamburg hat er zuletzt 2015 im Rahmen des Projektes „Stadtkuratorin“ die Installation Inverted Space im öffentlichen Raum gezeigt.

Der mit 20.000 Euro dotierte Kunstpreis Finkenwerder wird seit 1999 vom Kulturkreis Finkenwerder ausgelobt und von der Firma Airbus Operations finanziert. Er wird an Künstler vergeben, die mit ihrem Schaffen einen herausragenden künstlerischen Beitrag zur zeitgenössischen Kunst in Deutschland geleistet haben. Zu den PreisträgerInnen der letzten Jahre zählen die KünstlerInnen Almut Heise, George Rickey, Candida Höfer, Neo Rauch, Daniel Richter, Thorsten Brinkmann, Ulla von Brandenburg und Christian Jankowski. Mit dem in Cotonou (Benin) und Hamburg lebenden Georges Adéagbo ehrt die vom Kuratorium des Kunstpreises berufene fünfköpfige Fachjury einen Künstler, der auf besondere Weise die Differenzen unterschiedlicher Kulturen zu überwinden vermag und dem es mit seiner Kunst gelingt, die Komplexität kultureller Identität anschaulich werden zu lassen.