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Georgine Ingold : «Selfportrait»

Die neuen Bilder heissen «Selfportrait», aber Du bist nirgends explizit zu sehen.

Georgine Ingold: Das stimmt - und stimmt nicht. Wenn ich ein Film Still mit Meryl Streep verwende und male, dann schicke ich Meryl Streep vor, einen Aspekt von mir zu spielen, zu zeigen.

Welchen Aspekt?

G.I.: Denjenigen einer Frau über 40, einer leidenschaftlichen Frau.

Ist Meryl Streep deine Lieblingsschauspielerin?

G.I.: Eine sehr gute Schauspielerin, ja. Aber es ist egal, wie bekannt oder unbekannt oder wie gut die Frau auf dem Bild ist. Es kann auch eine Darstellerin aus einer deutschen Soap sein. Wichtig sind mir einzig das Bild, das Licht, Farben, der Raum, und die Frau darin. Ich erzähle keine Geschichten.

Warum nicht?

G.I.: Geschichten ergeben sich von selbst. Die Betrachter meiner Bilder sind autonome Menschen, sie werden meine Bilder lesen, wie sie es wollen. Vielleicht erkennen sie sich auch selbst darin.

Warum malst Du dich nicht selber? Bist Du schüchtern?

G.I.: Es gibt schon genug Bilder. Ich finde die richtigen Bilder. Ich halte den Film an und zeige ein Bild, das zwar alle, die den Film «Die Brücke am Fluss»* kennen, gesehen haben, das aber niemand in jener 1/10 Sekunde wahrgenommen hat.

Du malst gegen die Zeit? Du hältst die Zeit an?

G.I.: Ja. Ich halte mich selbst, als Geste, in dieser 1/10 Sekunde in einem Film Still von Meryl Streep fest. Wenn das Bild gemalt ist, ist dieser Augenblick unsterblich geworden. Dafür schaue ich mir aber 4 Stunden Filmmaterial immer wieder an, bis ich diese Nadel im Heuhafen, in der Bilderflut gefunden habe.

Du könntest den Film Still auch einfach bearbeiten, ohne zu malen, phototechnisch, am Computer.

G.I.: Ich bin Malerin.

Warum nun Frauen? Du hast in deinen vergangenen Arbeiten «Heroes» Männer thematisiert, Marlon Brando und Andi Hug, den Kickboxer.

Ja, ich habe 2 Jahre mit Marlon Brando und 2 Jahre mit Andy Hug verbracht. Am Schluss hatte ich sie satt. Doch in jenen Arbeiten tauchten immer wieder Frauen auf, im Hintergrund, verschwommen. Plötzlich kamen sie nach vorne. Obwohl - die Film Stills von Isabelle Rossellini stammen ja auch von einem Mann**. Man wird sie nicht los.

Aus der Distanz wirken die Frauen in deinen Bildern figürlich, aber beim Näherkommen löst sich alles, Körper und Raum, in abstrakte Malerei auf. Meist sind die Gesichter nur noch Fratzen, Phantome.

G.I.: Ja, das ist meine Technik. Je näher man rangeht, desto weiter weg gehen die Figuren. Ich sehe das aber nicht philosophisch, sondern technisch. Der philosophische Mehrwert ist natürlich willkommen, aber ich bin Malerin. Das Verwirrspiel interessiert mich, das Verschwinden. Die Unschärfe des Moments.

Manche Bilder zeigen die Frau, den Raum beklemmend einsam und verloren, andere befreiend stark und weit.

G.I.: Ja, so sehe ich das Leben.

Dein Leben als Künstlerin oder allgemein das Leben des Menschen?

G.I.: Ich kann nur für mich sprechen. Mein Leben, meine Arbeit.

Interview: C.F., Mai 2008

* «The Bridges of Madison County», 1995, Regie: Clint Eastwood ** «Blue Velvet», 1986, Regie: David Lynch

«Diese Porträts werden zwar Selfportrait genannt, aber es ist unschwer zu erkennen, dass die Settings für die Personen aus der Welt des Films und TV-Serien stammen. Gerade in einer von Medien geprägten Welt, in der unsere Realität und die Wahrnehmung von Personen öffentlichen Interesses von Bildern gesteuert werden, ist dieses Thema von einiger Brisanz. Im Spiel des Selbst mit der virtuellen Welt des Films, mit medialen Situationen vermag die Malerei hier neue Erkenntnisse durch andere Sehweisen zu bieten. Denn es gelingt Georgine Ingold durch einfachste Abstraktionen, durch deutliche erkennbare Pinselstriche Gesichter und Figuren samt ihrem Umfeld in neue Bedeutungshorizonte zu transformieren.»

Lioba Reddeker, Kuratorin HangART 7, Salzburg/Wien, 2008

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Georgine Ingold
Self-Portrait