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„Lasst uns ein Beispiel geben. Eine Mutter kauft ihrem Kind zwei T-Shirts mit unterschiedlichen Motiven drauf. Das Kind zieht eines der Shirts an und tritt lächelnd vor. Worauf die Mutter sagt: 'Magst du das andere denn nicht?'
Das Kind ist verdutzt.
Ein solches Dilemma nennt man Double Bind, Zwickmühle. Was für ein Dilemma!
Nahezu unlösbar.
Wie dem auch sei. Das Kind fasst neuen Mut und zieht nun auch das andere T-Shirt an, über das erste. Doch sofort bemerkt es die Ausweglosigkeit auch dieser Lösung, da es nur wieder eine Vorliebe zeigen wird. Zugegebenermaßen nicht im Tragen, jedoch immer noch im Zeigen. Denn welches T-Shirt soll sichtbar sein?
Desillusioniert wendet sich das Kind ab, kommt aber bald darauf zurück mit dem zweiten T-Shirt über das erste gezogen, doch diesmal verkehrt herum. So blicken sich die Vorderseiten beider Shirts an, die Bildmotive für uns nicht sichtbar.
1. Hat sich das Kind so aus der Zwickmühle befreit?
2. Oder ist dies eine neue Arbeit von gerlach en koop?
3. Wenn ja, kann man sie herstellen?
4. Wenn ja, kann man sie ausstellen?
Oder gibt es sie schon?“

„Choses tuées“ ist die erste institutionelle Einzelschau von gerlach en koop in Deutschland. Seit mehr als fünfzehn Jahren schafft das niederländische Künstlerkollektiv mit ihrem Werk einen Raum, in dem Sprache, Denken und Vorstellung aufeinander einwirken. Dieses beginnt bei ihrem Namen, der Aneinanderreihung von zwei Teilen in alphabetischer Reihenfolge, klein geschrieben und mit einem ‚und’ versehen, das entweder verbindet oder als Demarkationslinie zwischen zwei personalen Einheiten steht – quasi ein Deckname, der sich jeder Identifizierung entzieht. Der für die Ausstellung gewählte Titel „Choses tuées“ beruht wiederum auf einem Missverständnis, das Paul Valérys ‚verschwiegene’ Dinge (Choses tues) in ‚getötete’ Dinge fehl übersetzte und es nun dem Betrachter überlässt, dies zu korrigieren oder weiter zu denken. Der künstlerische Ansatz von gerlach en koop zeigt sich in Versuchen, Bezugssysteme zu versetzen und neue Denkeinheiten zu schaffen.
Dies zeigt sich in Wortspielen bzw. ihrem Interesse, Sprache und Kommunikation zu überlisten, oder in Form von künstlerischen Arbeiten, die häufig auf dem Zufallsprinzip beruhen. Wiederholung, Kopie oder Wiederverwendung, Verschiebung und Entschiebung, Auslassung, Irrtum und Fehlermachen setzen das Kollektiv ein, um Dinge verschwinden, wieder erscheinen und sichtbar werden zu lassen. Je geringer der Abstand zwischen zwei identischen Dingen – deren Differenz sich häufig nur erahnen lässt – desto reizvoller. Was ist ausgestellt? Objekte, angefertigt oder Ready-mades; skulptural oder grafisch; räumliche Interventionen; Worte in bestimmter Reihenfolge; minimale Gesten. Dabei greifen gerlach en koop die Vorstellung von Objekt, Künstler und Betrachter an und beobachten deren Interaktionen in Zurückhaltung und Ernsthaftigkeit. Neben überarbeiteten älteren Arbeiten werden in der Temporary Gallery, der zweiten Ausstellungsstation nach „de Appel“ in Amsterdam, einige Werke zu sehen sein, die in den Arbeitsalltag der Institution eingreifen.
Zur Ausstellung entsteht ein Rahmenprogramm sowie der zweite Band des Ausstellungskatalogs, herausgegeben von Roma Publications.