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[ɡəˈzɛlʃaft]
4. März - 4. Juni 2023

Künstlerinnen: Max Bergmann, Asta Gröting, Aleksandra Saša Jeremić, Charlotte Kremberg, Patryk Kujawa, Luis Kürschner, Eileen Raddatz, Luca Rohringer und Luisa Walther

Konzept: Luis Kürschner & Patryk Kujawa

Was würde passieren, wenn ein Hackerangriff auf die Kestner Gesellschaft stattfände?

Cyberangriffe werden in unserem Alltag immer präsenter und sind aus den Nachrichten des Weltgeschehens nicht mehr wegzudenken. Häufig ist der Begriff Hacking mit Gefahr konnotiert und wird mit Methoden der Erpressung und Opression assoziiert. In seiner eigentlichen Bedeutung bezieht sich der Begriff jedoch auf Tüftelnde im Kontext einer spielerischen, selbstreferentiellen und zumeist liebevollen Hingabe an den kreativen Umgang mit Technik.

Wir verstehen alle Technik als Fiktion, daher wollen wir die erlebten und vergessenen Räume der Kestner Gesellschaft mit Fiktionen durchdringen. Ausgangspunkt für unser Projekt ist die Architektur des Hauses, ihre Infrastruktur und Abläufe. Wir begreifen die Kestner Gesellschaft als einen Ort reiner Transformation – so wie sie zart und lebendig ist, konzentrieren wir uns nicht auf das Stabile und Dauerhafte, sondern auf das Dynamische und Bewegte.

Wie das Internet von Hass durchdrungen ist, wollen wir die Kestner Gesellschaft als öffentliche Institution für Love Speech nutzen. Wir wollen die Hardware des Gebäudes mit einem neuen Betriebssystem infizieren. Eine Software der Liebe, die die physischen Räume infiziert. Wie ein Virus installiert sich die Liebe im Raum, immer bewohnt und bewegt von der Präsenz der anonymen Parasiten.

We would love a parasite to hack the Gesellschaft for love. With love.

[ɡəˈzɛlʃaft] ist Teil der Future Scenarios – ein nomadisches und parasitäres Ausstellungsformat ephemeren Charakters, das auf die Architektur der Kestner Gesellschaft reagiert und eine Strategie der unerwarteten Erscheinung und des Aufbrechens als Operationsmodus verfolgt.

Zentrum der ortsspezifischen Gruppenausstellung bildet eine polyphone Klanginstallation, welche im Wesentlichen aus drei Elementen besteht: dem Ort der Kestner Gesellschaft, den Menschen, die diesen Platz durchschreiten und einer Konversation. Die Fenster des Kellergeschosses werden zur Membran für Schallwellen, welche das Glas in Schwingung versetzen und durch die Vibrationen kodierte Nachrichten auf die Straße bringen.

Die unerwartete Begegnung von Tönen, Stimmen und ihren Geschichten am öffentlichen Platz schafft eine unmittelbare Intimität mit den Passantinnen, welche so überrascht und irritiert werden, angehalten, den geplanten Tagesablauf zu unterbrechen und sich dem Angebot zur Konversation mit Unbekanntem einzulassen.

Häufig werden Keller- und Dachgeschosse mit Orten illegaler Underground-Aktionen in Verbindung gebracht oder bleiben lediglich einfache Lagerräume. In der Kestner Gesellschaft sind diese Räume der Öffentlichkeit nicht zugänglich; sie bergen daher ein gewisses Geheimnis, was sich die Ausstellung zum Potential einer quasi-filmischen Narration nimmt. Die Mysterien, die diese Räume hüten, könnten Teil des kryptischen Plans sein, den die parasitäre Entität vorbereitet hat.

Der Parasit bleibt nicht nur draußen, er befällt auch die inneren Organe des Ausstellungshauses. In den transitorischen Räumen, dem Buchladen, der Treppe, Garderobe und Toilette äußert er sich in zärtlich penetrierenden Botschaften. Auf den Bildschirmen des Ticketverkaufs ergreift er einen flüchtigen Moment der Sichtbarkeit und sabotiert die üblichen Informationen über Ausstellungen und Veranstaltungen. Für die Dauer eines Wimpernschlags offenbart er uns sein Antlitz, ohne jedoch vollständig fassbar zu werden. Am Prinzessinnenfenster weht die Luft der Liebe, die love in the air verbreitet. Etwa ein Beweis dafür, dass der Turm belebt wird? Darüber scheinen die Überwachungskameras jedenfalls zu fantasieren.

Die multimediale Gruppenausstellung beschäftigt sich mit Fundamenten unserer Kommunikation, ihrer Wähl- und Leitbarkeit durch Internetforen und polarisierten Meinungsbildern und fragt dabei nach den Voraussetzungen, wie wir als Gesellschaft agieren und welchen Umgang wir miteinander finden können. Mit einer Reihe poetischer wie prosaischer, fiktiver wie wissenschaftlicher, menschlicher wie anti-anthropogener Perspektiven ringt die Ausstellung mit subtilen Maßnahmen der Fürsorge und fehlender Zärtlichkeit.

Kuratiert von Adam Budak und Robert Knoke

Max Bergmann, Aleksandra Saša Jeremić, Charlotte Kremberg, Patryk Kujawa, Luis Kürschner, Eileen Raddatz, Luca Rohringer und Luisa Walther sind Künstlerinnen und Studierende um die Klasse von Asta Gröting an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Ihr interdisziplinärer Ansatz bewegt sich zwischen Installation, Video, Performance und Sound. Ihre Arbeiten konzentrieren sich auf soziale Interaktion auf emotionaler und konzeptueller Ebene.

Max Bergmann studiert seit 2020 Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Seine Arbeit setzt sich multimedial mit dem Hinterfragen des eigenen Sehens auseinander, in einer Zeit beherrscht von einer geschmacksorientierten Bilderflut. Dabei greift er auf gesellschaftlich konnotierte Motive zurück und versucht diese, mit der eigenen Wahrnehmung zu konfrontieren.

Asta Gröting ist Künstlerin und Professorin für Bildende Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Sie arbeitet in unterschiedlichen Medien wie Skulptur, Performance und Video. Ihre Arbeiten stellen das gesellschaftliche Miteinander in den Mittelpunkt. Sie verflechten psychologische wie soziale Bezüge zu persönlichen und kollektiven Aussagen.

Aleksandra Saša Jeremić absolvierte die Fakultät für Wirtschaft an der Universität Belgrad (2011) und Malerei an der Fakultät für Bildende Künste in Belgrad (2019) und studiert seit 2021 Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Ihre Arbeit basiert auf Video- und Soundinstallationen, in denen sie sich mit Identitätsfragen, kollektiven und persönlichen Erinnerungen und Migrationserfahrungen in einem breiteren kulturellen und politischen Kontext auseinandersetzt. Sie ist Teil des Kollektivs Commons - Imagining the institution of the future und DAAD-Stipendiatin. Ihre Arbeit ist Teil von Secondary Archive und der Katarzyna Kozyra Stiftung.

Charlotte Kremberg studiert seit 2019 Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, nach jahrelanger Spiel- und Regiepraxis an Theatern. Den Schwerpunkt bilden absurd-humorvolle Performances und Skulpturen welche in Videos und Sounddokumentationen Körper und Konsum erforschen.

Patryk Kujawa ist ein in Berlin/Dresden lebender Multimedia-Künstler, der zurzeit an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden studiert. Seine künstlerische Praxis befasst sich mit der Erforschung von Räumen, sowohl in ihren materiellen als auch in ihren imaginären Aspekten. Er arbeitet mit Narrativen, die in die Räume eingebettet sind, und kombiniert diese mit anderen, meist fiktionalen Erzählungen.

Luis Kürschner ist ein in Berlin lebender Medienkünstler und Filmemacher. Nach einem Abschluss in Kunstgeschichte und Philosophie studierte er Bildende Kunst in Braunschweig und Seoul mit einem besonderen Interesse an synthetischen Bildern. Seither erkundet er die Welt der digitalen Animation. Seine Praxis berührt eine Schnittstelle von Film und Video, sowie anderen zeitbasierten Medien und immersiven Installationen.

Eileen Raddatz studiert seit 2021 an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. In ihren Arbeiten geht sie Fragen kollektiven Zusammenlebens, Identität und - Unterbewusstsein nach. Zeichnungen und Skulptur finden sich in ihrer Videoarbeit wieder.

Luca Rohringer studiert seit 2021 Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Sie forscht und experimentiert mit Video und Performance um Menschen Freude an neuen Erfahrungen und Perspektiven mitzuteilen, und sie auch zur Teilnahme einzuladen.

Lu Walther studiert seit 2021 Freie Kunst an der Hochschule der Bildenden Künste Braunschweig. Von 2007 bis 2012 studierte Lu – an der Palucca Hochschule für Tanz Dresden sowie an der Staatlichen Ballettschule Berlin – Tanz, welcher in ihrem bevorzugtem Medium Film/Video immer wieder auftaucht. Hierbei verwebt Lu eigene Fiktion mit autobiografischen Elementen und Aventüren. Frauenrollen werden hierbei oft intuitiv dekonstruiert und in Frage gestellt. Sie arbeitet sowohl mit analogen als auch digitalen Kameras und ihre Arbeiten umfassen weiterhin Soundinstallationen sowie Text.

Dank an HBK Braunschweig, Ingo Schulz und Thomas Wittmütz.