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Orangerie

Gironcoli: Context
Andre | Bacon | Barney | Beuys | Bourgeois | Brus | Klauke | Nauman | Schwarzkogler | West

Mit Gironcoli: Context zeigt das Belvedere ab Mitte Juli 2013 eine Ausstellung zum großen Bildhauer und Ausnahmekünstler Bruno Gironcoli, die dessen Arbeiten erstmals in ein Netzwerk von Beziehungen zu bedeutenden modernen bis zeitgenössischen Positionen setzt und so das Werk eines der wichtigsten Vertreter der zeitgenössischen Skulptur würdigt. Drei Jahre nach seinem Tod und 16 Jahre nach der letzten großen Personale im Wiener MAK (1997) hat sich das Belvedere eine Neubewertung seines Schaffens durch eine Ausstellung zur Aufgabe gemacht, die Gironcolis Frühwerk umfassend zeigt und ihn mit prominenten Vertretern der internationalen zeitgenössischen Kunst präsentiert. Die Schau zeigt Gironcoli erstmalig als Teil der internationalen Bewegung, die ab den 1960er-Jahren die Kunst neu definierte, indem sie traditionelle Gattungen durch Grenzüberschreitungen aufbrach und bisher gültige Normen infrage stellte. Darüber hinaus beleuchtet die Ausstellung einen für die Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre wesentlichen Themenkreis die Entgrenzung des Mediums Skulptur hin zu neuen Medien wie Fotografie, Film und Performance.

Präsentiert werden herausragende Arbeiten des Künstlers aus den Jahren 1965 bis 1979: Auf der Suche nach einem zeitgemäßen menschlichen Abbild experimentiert Gironcoli in seinem Frühwerk mit neuen industriellen Werkstoffen und formuliert seinen Kunst- und Skulpturenbegriff, der sich von den frühen Drahtplastiken über die Polyesterobjekte hin zu den Environments entwickelt. Parallel dazu findet eine intensive Beschäftigung mit dem zeitgenössischen Kunstgeschehen statt.

Neben dem Wiener Aktionismus sind JoseAufladung von Materialien mit bestimmten Bedeutungsinhalten und der Einfluss gewisser Elemente des Wiener Aktionismus wie Ritual, Opferung, Materialkombinationen und Performance Eurasienstab, die 1967 in der Galerie nächst St. Stephan stattfand, und die Aktionsfotos von Rudolf Schwarzkogler sowie der 1965 entstandene Film von Günter Brus über die 4. Aktion von Schwarzkogler weisen darauf hin. Ein weiteres Thema der 1960er-Jahre ist die Untersuchung von Fläche und Raum, die Gironcoli zu den Arbeiten von Carl Andre und zur Minimal Art führt. Die Transformation eines scheinbar neutralen Objekts in einen sexuell aufgeladenen Gegenstand steht in Beziehung zu der Gironcolis gesamtes Werk durchziehenden Beschäftigung mit der polaren Geschlechtlichkeit von Mann und Frau. Die Auflösung der Geschlechter ist auch ein zentrales Thema des deutschen Künstlers Jürgen Klauke. Der jüngste der ausgestellten Künstler, Matthew Barney, setzt sich in seinen surreal anmutenden Filmen ebenfalls mit der Identität der Geschlechter in einer von ihm geschaffenen extremen Kunstsprache auseinander.

Francis Bacon und Bruce Nauman thematisieren ebenso wie Gironcoli auf abstrakte, aber dennoch intensive Weise die Frage nach der conditio humana. Francis Bacon ist mit einem Bild aus der bekannten Serie Portraits of Henrietta Moraes in der Ausstellung vertreten. Hanging Carousel verdeutlicht Bruce Naumans Auseinandersetzung mit physischer und psychischer Gewalt auf eindrückliche Weise. Louise Bourgeois teilt mit Gironcoli die lebenslange Beschäftigung mit dem Thema Mutter. Ebenfalls eine Einzelkämpferin, entspringt ihre Kunst ähnlich jener von Gironcoli einem stark von persönlichen Erfahrungen und Emotionen geprägten Themenkreis, wobei das menschliche Abbild und die Figur der Mutter bzw. das Gebären einen zentralen Platz im künstlerischen Schaffen einnehmen. Von Gironcolis wohl bekanntestem Schüler, Franz West, werden frühe Passstücke, die auf der Auseinandersetzung mit den Werken Gironcolis und der Aktionisten basieren, in der Ausstellung gezeigt.

Ergänzt wird die Schau durch die Präsentation von vier Güssen aus den Jahren 1984 bis 2003 im Kammergarten, die sich mit dem klassischen Bildhauerthema der sitzenden Figur beschäftigen bei Gironcoli der sogenannte Murphy, inspiriert von der gleichnamigen Figur Samuel Becketts. Gironcoli konzentriert sich in seinen Arbeiten auf wenige Themen. Lediglich in ihrer Gewichtung und im Zusammenspiel verschieden, sind dies die Konstanten Verletzung Folter, Angst Sexualität, Ritual Obsession, Fetisch Geschlecht, Vater Mutter Kind.

Begleitend zur Ausstellung erscheint eine Publikation, die den Künstler als Teil der internationalen Bewegung würdigt, die seit den 1960er-Jahren die Kunst durch Grenzüberschreitungen neu definierte und gültige Normen infrage stellte. Mit Beiträgen von Véronique Aichner, Bettina M. Busse, Agnes Husslein-Arco, Harald Krejci, Georg Lechner, Beatriz Preciado, Thomas D. Trummer, Peter Weiermeier.