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Gisela Erlacher assemble

„Es tritt bei derlei Mauern und Gemisch das Ähnliche ein wie beim Klang der Glocken: da wirst du in den Schlägen jeden Namen und jedes Wort wiederfinden können, die du dir einbildest“, schrieb Leonardo da Vinci in seinem Traktat über die Malerei. Ähnlich, wenngleich mit etwas geringerem Assoziationsspektrum, verhält es sich beim Betrachten von Bildern aus Gisela Erlachers Fotoserie assemble: denken wir angesichts ihres rätselhaften „Seestücks“ aus Shanghai nicht unwillkürlich an ein großdimensioniertes Land Art-Projekt im Stile Walter De Marias oder bei ihrem Schauraum im Chongqinger Stadtbezirk Yuzhong an Fotozyklen wie Taryn Simons Index of the Hidden and Unfamiliar, Gregor Sailers Closed Cities oder Ernst Logars Non Public Spaces? Auch an Christos und Jeanne-Claudes Verpackungs- und Gebäude-Verhüllungskunst darf gedacht werden, wenn wir zum Beispiel Gisela Erlachers aus unserer Sicht seltsam eingerüstete Hochhäuser aus Shenzhen betrachten.

Verglichen mit Leonardos „Mauern und Gemisch“ sind die Sujets der Fotografin indes weitaus konkreter, bilden sie doch topografisch klar festzumachende „Environments“ ab und nicht nur Details ihrer Oberflächen oder Struktur. Auch beruhen die Funde dieser Environments auf dem nach Situationen suchenden Blick der Künstlerin, welche mit bewusst gesetzten künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum oder auch mit musealen Installationen und Assemblagen eine äußerlich-visuelle Verwandtschaft haben. Auf ihrer jüngsten Fotoreise durch China hat Gisela Erlacher, die beruflich aus der Architekturfotografie kommt und „in den letzten Jahren schwungvoll die Kurve vom Gebrauchsbild zur künstlerischen Fotografie genommen hat“ (Wolfgang Koch), ebensolche Situationen gefunden und sie so „eingefangen“, dass sie mit Kunst assoziiert werden können. Letztlich ist unbedingt der künstlerisch geschulte Blick der Fotografin verantwortlich für das, was sie sowohl „findet“ auf ihrer Suche als auc h dafür, worauf sie genau den Fokus der Kamera richtet: „Es sind Zwischenzustände, in denen gebaut, aufgeräumt, repariert und improvisiert wird“, sagt die Künstlerin, und: „der Bildausschnitt unterbricht funktionelle Zusammenhänge – so entsteht Platz für das Absurde“. Der Ausschnitt, die Beschneidung an der richtigen Stelle macht dabei nicht nur das Sujet zum Potenzial von Kunst, sondern desgleichen das fotografische Bild zum Kunstwerk. „Nichts in der Kunst darf einem Zufall gleichen, nicht einmal die Bewegung“, sagte schon der Maler und Bildhauer Edgar Degas. Und in diesem Sinne sind die Assoziationen zur Kunst in Gisela Erlachers assembles alles andere als rein zufällig.

Lucas Gehrmann

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Gisela Erlacher
ASSEMBLE

Künstler:
Gisela Erlacher