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Weltweit ist ein neuer Aktivismus zu beobachten, der von BürgerInnen (lat. civis) ausgeht, wie das im Wort activism hervorgehobene CIVIS zeigt. Diese Bewegung ist Folge der Globalisierung, der technischen Entwicklung und der Expansion der Kunst. Seit den 1960er-Jahren hat die Kunst mit Fluxus, Happening, Aktionismus und Performance neue Formen der Partizipation des Publikums hervorgebracht. Die Publikumsbeteiligung in der Kunst ist nun offensichtlich als neue Form der Bürgerbeteiligung in die Sphäre der Politik eingedrungen. Künstlerische und politische Demonstrationen vermischen sich. Seit der Informationsrevolution leben die Menschen in einer Umgebung, in welcher der Austausch von großen Datenmengen beinahe im Sekundentakt stattfindet. Die computerbasierte Personalisierung der Medien und die funktechnische Vernetzung der Individuen haben zu einer grundlegenden Veränderung sowohl der zwischenmenschlichen Beziehungen als auch der Beziehung zwischen Umwelt und Mensch geführt. In der technischen Welt ist der Mensch immer mehr umgeben von Tastaturen, deren Betätigung eine unmittelbare Reaktion hervorruft. Diese Beschleunigung durch die neuen Technologien steht in einem Gegensatz zur Politik, bei der die BürgerInnen, im besten Fall, nur alle paar Jahre die Möglichkeit haben, mit dem Stimmzettel eine Reaktion zu bewirken. Finanzkrise, Klimakrise und die Krise der Demokratie sind globale Probleme, die nationalstaatlich nicht zu lösen sind. Daraus resultiert das Gefühl der Ohnmacht der BürgerInnen und einer allgemeinen Handlungsarmut der Politik.

The sensational world campaigns by organizations such as Greenpeace, Amnesty International, Transparency International and so on have been covered and disseminated by the mass media and they have played a pioneering role in global activism. Evidently many citizens have concluded that governments are not giving the vital interests of all of humanity sufficient consideration, such as upholding human rights, protecting the environment and animal life, and combatting corruption. This has led to citizens becoming increasingly involved in non-governmental organizations (NGOs) and tackling these tasks themselves. The result is a new form of social action driven by “global citizens”: “performative democracy.” In this respect, the protest movements are genuine civil movements; that is, a new dynamic form of democracy. The Boston Tea Party of 1773, which effectively led to the American War of Independence of 1775, took as its slogan “No taxation without representation.” It seems that the battle-cry of citizens today is “no taxation without participation.” This exhibition attempts for the first time to chart this global activism and identify its approaches, tactics, strategies, and methods. With more than 100 different standpoints presented, and supported by a Website and a large accompanying program, the show documents the “artivism” spawned by the alliance of activism and art; it can perhaps rightly be considered the first new art form of the twenty-first century. Die weltweit aufsehenerregenden und medial verbreiteten Aktionen von Greenpeace, amnesty international, Transparency International etc. haben eine bahnbrechende Rolle für den globalen Aktivismus gespielt. Viele BürgerInnen haben offensichtlich den Eindruck, dass lebenswichtige Interessen der gesamten Menschheit wie Umweltschutz, Tierschutz, Menschenrechte, Kampf gegen Korruption von den Regierungen nicht genügend berücksichtigt werden. Daher haben die BürgerInnen neue Nichtregierungsorganisationen (NGOs) geschaffen, um diese Aufgabe selbst zu übernehmen. Es entsteht eine neue Form gesellschaftlichen Handelns, eine „performative Demokratie“, die auf der Erfindung eines neuen Bürgers, einer „globalen Bürgerschaft“, beruht. Insofern handelt es sich bei den Protestbewegungen um wirkliche Bürgerbewegungen, das heißt um eine neue Dynamik der Demokratie. Der Slogan der Boston Tea Party (1773), die 1775 zum Ausbruch des Amerikanischen Unabhängigkeits-krieges führte, war: „No taxation without representation“. Die BürgerInnen von heute fordern scheinbar „no taxation without participation“. Die Ausstellung versucht, eine erste Kartografie des globalen Aktivismus zu entwerfen, seine Vorgehensweisen, Taktiken, Strategien und Methoden herauszuarbeiten. Mit mehr als hundert Positionen dokumentiert die Ausstellung, die durch eine Website und ein umfangreiches Rahmenprogramm ergänzt wird, den aus der Verbindung von Aktivismus und Kunst entstehenden „Artivismus“, der vielleicht die erste neue Kunstform des 21. Jahrhunderts ist.