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Eröffnung Sa 07.06.2008

Pressetext:

Mit dieser Ausstellung im Museum Schloss Moyland werden die Groninger Expressionisten erstmals in Deutschland vorgestellt. Der Expressionismus war international. In den Niederlanden bildete sich neben Amsterdam vor allem in der Stadt Groningen ein bedeutendes Zentrum dieser Avantgardebewegung.

In dieser Ausstellung präsentiert der Kurator, Drs. Ron Manheim, der seit mehr als dreißig Jahren als Expressionismusforscher aktiv ist, einen neuen wissenschaftlichen Ansatz. Es ist der Versuch, den Begriff Expressionismus anhand von Werken aus dem Kreis des Groninger Künstlervereins De Ploeg (dt. Der Pflug, gegründet 1918) neu zu bestimmen und zu konkretisieren. In dieser Künstlergruppe vereinten sich Künstler, deren Arbeiten drei Hauptströmungen des Expressionismus zuzuordnen sind: einer vitalistischen, wie sie in Deutschland u.a. von der Gruppe Brücke vertreten wurde, einer lyrisch-metaphysischen, die man bei Künstlern aus dem Umfeld des Blauen Reiters findet und einer geometrisierenden, die im nonfigurativen Konstruktivismus aufging.

Drei Hauptströmungen des Expressionismus In den vitalistisch-expressiven Arbeiten der Künstlergruppe De Ploeg werden stilistische Bezüge vor allem zu den deutschen Expressionisten der Brücke deutlich. Die Ausstellung zeigt Arbeiten der bekanntesten und richtungsweisendsten De Ploeg-Künstler Jan Altink, Johan Dijkstra, Job G. Hansen, Jan G. Jordens, George B. Martens, Henk J. Melgers, Alida Pott, Jannes de Vries und Jan Wiegers.

Jan Wiegers und Ernst Ludwig Kirchner, der Hauptvertreter der Gruppe „Brücke“, hatten sich in Davos kennen gelernt. Hieraus entwickelte sich eine Freundschaft, die sich z.B. in einem Porträtbildnis (Porträt Kirchners im Atelier, 1925) niederschlägt. Aufgrund dieses Kontakts folgt eine Übernahme der vitalistisch-expressiven Bildsprache Kirchners durch die Expressionisten in Groningen wie auch das Ausprobieren einer Wachs-Benzin-Ölmalerei, wie sie Kirchner anwendet. Diese stilistischen, motivischen und technischen Anregungen bringt Wiegers von seinem Treffen mit Kirchner in die Niederlande mit. Mit kontrastierenden Farben und einer zumeist sehr emotionalen Pinselführung bringen die Groninger Künstler Lebensfreude und -kraft sowie eine innere Verbundenheit mit der heimatlichen Landschaft zum Ausdruck.

Aus dem persönlichen Kontakt zwischen Kirchner und Wiegers resultiert die Nähe zum deutschen Expressionismus, der im Gegensatz zu dem der nördlichen Niederlande auch international bekannt geworden ist.

Die Richtung eines lyrisch-metaphysischen Expressionismus vertritt Hendrik Nicolaas Werkman. Vor allem mit seinen poetischen, teils von der Typografie inspirierten Farbkompositionen ist der Künstler auch international bekannt geworden. In Deutschland findet man diese Ausprägung des Expressionismus vor allem bei den Künstlern des Blauen Reiters. Werkman war zunächst Drucker und Typograf bevor er sich Anfang der 1920er Jahre der Kunst und der Künstlergruppe De Ploeg zuwandte, mit der er gemeinsam bei vielen Ausstellungen vertreten war. Ab 1922 verlegte Werkman in seiner Druckerei die avantgardistische Zeitschrift The Next Call, das zeitweilige Sprachrohr der De Ploeg-Künstler. 1940 begann Werkman mit der Herausgabe zweier Mappen mit mehreren Drucken, den der jüdischen Erzähltradition entstammenden Chassidischen Legenden. Ein vollständiger Zyklus ist in der Ausstellung zu sehen.

Eine geometrisierende Strömung des Expressionismus, die zwar nicht sehr umfangreich war, dennoch aber im gesamteuropäischen Kontext bald im nonfigurativen Konstruktivismus aufging, wird durch Wobbe Alkema und Jan van der Zee vertreten. Auf der Suche nach metaphysischen Gesetzmäßigkeiten und Werten strebten diese Künstler zunächst an, die Welt als eingebunden in eine geometrische Ordnung darzustellen. Alkema wandte sich jedoch nach einer relativ kurzen Zeit ganz von diesem Bezug zur sichtbaren Wirklichkeit ab und wurde zum Konstruktivisten.

Das Projekt Das Ausstellungsprojekt wird in enger Zusammenarbeit mit dem Groninger Museum durchgeführt, das Hauptleihgeber der etwa 60 ausgestellten Gemälde und 75 Arbeiten auf Papier ist. Zahlreiche Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen komplettieren die Ausstellung. Der Katalog sowie der Flyer sind in deutscher und niederländischer Sprache erschienen. Während der Laufzeit der Ausstellung wird mit einem Film (niederländisch, mit deutschen Untertitel) in den Groninger Expressionismus und das Groninger Milieu der 1920er Jahre eingeführt.

Künstlerbiografien

Wobbe Alkema Nieuw Buinen 1900 – 1984 Kampen

Wobbe Alkema macht eine Schreinerlehre, lernt technisches Zeichnen an einer Abendfachschule und bekommt Privatunterricht bei dem Bildhauer Willem Valk. 1922 sieht Alkema in Groningen eine Ausstellung mit Werken von Künstlern der Gruppe De Stijl: Theo van Doesburg, Vilmos Huszár und Bart van der Leck. Im selben Jahr beginnen seine ersten Versuche mit einer geometrisierenden Bildsprache. 1924 wird er Mitglied der Gruppe De Ploeg. Im selben Jahr findet er zum figurationslosen Konstruktivismus. Die erste Einzelausstellung wird ihm 1953 gewidmet und eine erste große Retrospektive folgt 1960 im Groninger Museum.

Jan Altink Groningen 1885 – 1971 Groningen

Altink arbeitet zunächst als Zeichenlehrer an verschiedenen Schulen. 1915 gründet er eine eigene Werbeagentur. Er spielt 1918 eine zentrale Rolle bei der Gründung des Künstlervereins De Ploeg, der ihm den Namen verdankt. Altink betrachtet den Verein als „Pflug“, mit dem der unbearbeitete Groninger Boden für ein künstlerisches Leben urbar gemacht werden sollte. Wie Johan Dijkstra ist Altink nicht nur Landschaftsmaler, sondern schafft vor allem auch viele Porträts. Er findet erst 1924 durch Anregungen des jüngeren Künstlerkollegen Jan Wiegers zum heftigen, vitalistischen Malstil, mit dem De Ploeg später in die Kunstgeschichte eingeht. Mit dem Kulturpreis der Provinz Groningen wird 1955 sein Lebenswerk gewürdigt.

Johan Dijkstra Groningen 1896 – 1978 Groningen

Johan Dijkstra nimmt am Anfang seiner Künstlerlaufbahn unter anderem Impulse der Bergense School (expressionistischer Kreis im Nordwesten der Niederlande) auf, findet allerdings noch nicht zu einem wirklich expressionistischen Stil. In der ersten Hälfte der 1920er Jahre experimentiert er mit dem auf die pointillistische Malerei Georges Seurats zurückgehenden Divisionismus. Dijkstra ist 1918 Gründungs-mitglied der Gruppe De Ploeg und entwickelt sich in diesem Kreis, wie Jan Altink, zu einem bedeutenden Porträtisten. Ab 1925 nähert er sich dem ausgeprägten vitalistischen Expressionismus seiner Künstlerkollegen Jan Wiegers und Jan Altink, wendet sich aber wenige Jahre später einem gemäßigten, eher impressionistischen Stil zu.

Job G. Hansen Groningen 1899 – 1960 Groningen

Job G. (Jacob Gerard) Hansen lässt sich 1927 in Amsterdam als selbständiger Architekt nieder. Hansen wird als Architekt stark von den Formen und Ideen der Gruppe De Stijl beeinflusst. Sein Interesse für künstlerische Neuerungen bringt ihn in die Nähe der Gruppe De Ploeg, zu deren Ausstellungskatalog von 1923 er einen Text beiträgt. Eine wirtschaftliche Flaute führt ihn 1927 dazu, mit Malerei zu experimentieren, zunächst unter dem Einfluss von Jan Altink. Schon bald entwickelt er mit einer freien Pinselführung und transparenten, mit Benzin verdünnten Ölfarben einen eigenen Stil. Hansen ist mit Hendrik N. Werkman befreundet, kauft ihm schon früh Werke ab und kümmert sich 1945 nach dessen Hinrichtung durch den deutschen Sicherheitsdienst um seinen künstlerischen Nachlass.

Jan G. Jordens Wageningen 1883 – 1962 Groningen

Jan G. (Gerrit) Jordens absolviert ein Studium für Zeichenlehrer in Amsterdam (Rijksnormaalschool) und Groningen (Academie Minerva) und wird zu einem wichtigen Erneuerer des Zeichenunterrichts in den Niederlanden. Kurz nach ihrer Gründung schließt er sich 1918 der Gruppe De Ploeg an. Seine frühen Bilder stehen unter dem Einfluss des damals in den Niederlanden intensiv rezipierten kubistisch-expressionistischen Werks von Henri Le Fauconnier. Von Jan Wiegers wird seine vitalistisch-expressionistische Phase stark beeinflusst. In seinem Spätwerk setzt er sich vor allem mit Künstlern der École de Paris wie Roger Bissière und Jean Bazaine auseinander. 1956 wird er mit dem Kulturpreis der Provinz Groningen ausgezeichnet.

George B. Martens Groningen 1894 – 1979 Groningen

Der Maler und Grafiker George B. (Gijsbert George) Martens studiert an der Academie Minerva und bei seinem Vater, dem Marinemaler Gijsbert Martens. Er gehört 1918 zu den Gründungsmitgliedern des Künstlervereins De Ploeg. In diesem Kreis, an dessen sozialem Leben er aktiv Anteil nimmt, findet er vorübergehend zu einem expressiven, stark farbigen Malstil, vor allem in Stadtszenen, die an Werke von Ernst Ludwig Kirchner denken lassen. Ebenfalls an Kirchner erinnern seine Zeichnungen aus der Zeit um 1925. Nach wenigen Jahren folgt er der auch von anderen Künstlerkollegen vollzogenen Wendung zu einer eher impressionistisch anmutenden Malweise. In seinem persönlichen Umfeld tritt er auch als Dichter hervor. 1922 heiratet Martens die auch zu De Ploeg gehörende Künstlerin Alida J. Pott.

Henk J. Melgers Groningen 1899 – 1973 Amsterdam

Henk J. (Hendrik Johannes) Melgers studiert an der Academie Minerva in Groningen Malerei und Grafik. Das frühe Werk steht unter dem Einfluss der Malerei von Vincent van Gogh. Nach dem Beitritt zum Verein De Ploeg 1925 wird seine Palette stark vom Werk anderer De Ploeg-Maler geprägt. Er schafft darüber hinaus eine Gruppe von Holzschnitten in einem rein expressionistischen Stil. Später wendet sich Melgers einem naturalistischen Impressionismus zu. 1933 verlässt er Groningen und lässt sich in Amsterdam nieder.

Alida J. Pott Groningen 1888 – 1931 Groningen

Alida J. (Jantina) Pott absolviert an der Academie Minerva in Groningen eine Ausbildung als Zeichenlehrerin. Als solche ist sie am Lehrerseminar in Groningen tätig. Bereits im Gründungsjahr 1918 schließt sie sich dem Künstlerverein De Ploeg an. Um 1920 entstehen Bilder, die dem Idiom des vitalistischen Expressionismus entsprechen; bald geht sie aber eigene Wege und entwickelt einen Stil, der sich durch markante Formen und eine transparente Farbigkeit auszeichnet. In den letzten Jahren ihres Lebens schafft die früh verstorbene Künstlerin eine Reihe von Collagen, die dem Werk der dadaistischen deutschen Künstlerin Hannah Höch sehr nahe kommen. Alida Pott war mit dem auch zu De Ploeg gehörenden Künstler George B. Martens verheiratet.

Jannes de Vries Meppel 1901 – 1986 Groningen

Jannes de Vries studiert an der Zeichenlehrerschule in Amsterdam und setzt das Studium in Paris an der École supérieure des beaux arts und der Académie Colarossi fort. 1923-24 folgen Studienreisen nach Italien, Frankreich und Nordafrika. Im Jahr 1924, als er in Groningen Zeichenlehrer am städtischen Gymnasium ist, schließt er sich der Künstlergruppe De Ploeg für nur kurze Zeit (bis 1927) an. Der französische Einfluss, zum Beispiel der von Maurice de Vlaminck, zieht sich durch sein Œuvre, das nie die Heftigkeit der Werke anderer De Ploeg-Künstler erreicht. Stark expressiv werden seine Bilder erst ab Mitte der 1930er Jahre. Neben seinen Tätigkeiten als Zeichenlehrer und freischaffender Künstler tritt de Vries auch als Illustrator sowie als Buch- und Werbegestalter hervor.

Hendrik N. Werkman Leens 1882 – 1945 Groningen

Hendrik Nicolaas Werkman hegt bereits früh ein großes Interesse für Typografie, Fotografie und Journalismus. Nachdem Werkman einige Jahre als Journalist tätig ist, gründet er 1908 eine eigene kleine Druckerei in Groningen, die sich erfolgreich entwickelt. Im Jahr 1920 tritt Werkman der Künstlergruppe De Ploeg bei. Seine künstlerische Arbeit entwickelt sich von impressionistisch geprägten Werken über eine von Jan Wiegers beeinflusste expressive Phase zu Werken in einem ganz eigenen, lyrisch-träumerischen Stil, der auf experimenteller Nutzung von typografischen Elementen basiert. Mit diesen sogenannten „Druksels“ erlangt er große Bekanntheit. Während der nationalsozialistischen Besatzung gibt er unter dem Titel „De Blauwe Schuit“ (Das blaue Boot) eine Schriftenreihe heraus, deren literarischer Inhalt als moralische Unterstützung eines wie auch immer gearteten Widerstandes gegen die deutschen Besatzer erfahren wird. Unter dem Verdacht subversiver Aktivitäten wird er 1945 verhaftet. Wenige Tage vor der Befreiung der Stadt Groningen durch kanadische Truppen wird Werkman vom deutschen Sicherheitsdienst hingerichtet.

Jan Wiegers Kommerzijl 1893 – 1959 Amsterdam

Jan Wiegers ist nach Abschluss seines Studiums an der Academie Minerva zunächst als Möbeldekorateur tätig. 1918 gehört er zu den Gründern des Künstlervereins De Ploeg. In den ersten Jahren seines künstlerischen Schaffens verarbeitet er Anregungen der Bergense School (expressionistischer Kreis im Nordwesten der Niederlande), des belgischen und niederländischen Luminismus und der avantgardistischen Arbeiten von Henri Le Fauconnier, Leo Gestel und Jan Sluijters. Im Jahr 1920 siedelt er dank finanzieller Unterstützung durch De Ploeg-Freunde mit seiner Familie vorübergehend nach Frauenkirch bei Davos über, um sich von einer Lungenerkrankung zu erholen. Dort schließt er Freundschaft mit Ernst Ludwig Kirchner, der in der Nähe von Frauenkirch lebt. Die von diesem Kontakt 1921 mit nach Hause gebrachten Erfahrungen machen ihn zum Wegbereiter und Anreger des vitalistischen Expressionismus in Groningen. Dabei spielt auch die von Kirchner übernommene Wachsfarbentechnik eine wesentliche Rolle.

Jan van der Zee Leeuwarden 1898 – 1988 Groningen

Jan van der Zee studiert, nach anfänglichem Zeichenunterricht bei Jan Mankes, an der Academie Minerva in Groningen. Er wirkt als freier Maler, Grafiker und Entwerfer für angewandte Kunst. 1922 gründet er mit Wobbe Alkema und Johan Faber die Werbeagentur AVAR (Atelier Voor Artistieke Reklame). Ein Jahr später wird er Mitglied des Künstlervereins De Ploeg. Er arbeitet 1924-25 unter dem Einfluss Wobbe Alkemas, Bart van der Lecks und anderen Künstlern der Gruppe De Stijl in einem geometrisierenden Stil. Danach wendet er sich vorübergehend dem Expressionismus zu. 1965 wird er mit dem Kulturpreis der Provinz Groningen ausgezeichnet.

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Groninger Expressionisten
Klassische Avantgarde aus den nördlichen Niederlanden
Kurator: Ron Manheim

Künstlergruppe De Ploeg  Jan Altink, Johan Dijkstra, Job G. Hansen, Jan G. Jordens, George B. Martens, Henk J. Melgers, Alida Pott, Jannes de Vries, Jan Wiegers, Hendrik Nicolaas Werkman, Wobbe Alkema ...