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Installationszeichnung, so nennt Nic Hess das Ergebnis seiner künstlerischen Arbeit. Er zeichnet nicht im traditionellen Sinne, sondern mit teilweise außergewöhnlichen Medien, z.B. mit geschnittenen Klebebändern, die er dann mit Bildern und Skulpturen zu einer Installation kombiniert. Vorzeichnungen für seine ortsspezifischen Installationen gibt es zwar, doch sind diese nur Ausgangspunkt. Die Zeichnung im Raum und eng an ihn gebunden ist sein wesentliches Ausdrucksmittel. Erst allmählich erhält das Werk seine endgültige Form.

Nic Hess spinnt die Fäden seiner Geschichte, hangelt sich von Verdichtung zu Verknotung. Aus Formen werden Episoden. Er verarbeitet Themen, Zeichen und Embleme aus verschiedenen Kulturen und Alltagsbereichen. So entstehen verwirrend harmonische Zusammenhänge und energiegeladene Phantasiewelten.

Seine Arbeiten wurden bereits in der Schweiz, den USA und Mexiko in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Nun präsentiert das Haus der Kunst Nic Hess als erste deutsche Institution mit einer monografischen Ausstellung. Dabei wird die zentrale Halle des Haus der Kunst erstmalig mit nur einer einzigen Installation bespielt. Eigens für die Mittelhalle entsteht ein theaterähnlicher Erfahrungsraum, der den Besucher umfängt und auf eine unbestimmte Reise entführt (Wohin die Reise führt – so der Titel einer Arbeit).

Nic Hess nennt seine Installationszeichnung Guten Morgen Deutschland! Warum er diesen Titel wählt? Weil er den Besucher schelmisch darauf aufmerksam machen will, dass er erstmals in einer deutschen Institution mit einer Einzelausstellung präsent ist; weil er auf den Filmtitel Good Morning Vietnam anspielt; und weil es wie ein Gruß der erste Anfang eines Gesprächs ist, das er mit dem Besucher führen möchte.

Der Wunsch, mit dem Betrachter in einen Dialog zu treten, ist ein entscheidender Schlüssel zu seinem Werk. Mit Bildern erzählt Nic Hess Geschichten, und die Welt der kommerziellen Icons dient ihm als schier unerschöpfliches Reservoir. Er greift auf allgemein bekannte Motive aus der Kunstgeschichte, auf Alltagsmotive und auf vertraute Markenlabels zurück, die weltweit zu Statussymbolen geworden sind. Diese Motive überlagern sich, verschmelzen miteinander, bilden zum Teil Ornamente.

Den Markenzeichen ist ihre hohe Bekanntheit und Verbreitung gemeinsam; sie ermöglichen eine universelle Verständigung. Ihre Aussage ist positiv, ohne dass sie auf bestimmte Bedeutungen festgelegt sind. Vielmehr vermitteln sie Inhalte auf der Gefühlsebene. Darin unterscheiden sie sich von Piktogrammen, die das Bezeichnete möglichst eindeutig vermitteln. Die Ereignisse, auf die Nic Hess zurückgreift, fügen sich im Kopf des Betrachters zu einer Erzählung.

In seinen früheren Arbeiten waren die Markenzeichen deutlich erkennbar. In seiner Installation für das Haus der Kunst sind sie eine Art Folie, auf die er seine individuellen Zeichen setzt. Mit seinen Vorlagen geht er sehr viel freier um und nutzt vor allem deren breites Feld von Bedeutungen: Der melancholische Mensch des Malers Edvard Munch blickt in die Ferne, über das Meer. Ganz weit hinten liegt das Traumziel New York, dessen schmerzhafte Wunde, das zerstörte World Trade Center, von der Figur der Marke Foot Locker verdeckt ist. Die Statue eines selbsternannten „Weltschiedsrichters“ wird zum höchsten Gebäude der Welt. Eine Marlboro-Schachtel mutiert zu einem Haus und aus einem Timberland-Schuh-Baum wächst ein Fußballfeld. Die Schweiz erscheint an einer Wand im Großformat als leuchtendes Vorbild.

Der Künstler präsentiert seine Bilder mit einer mitreißenden Dramaturgie, die der des Films verwandt ist: Visuelle und emotionale Reize verschränken sich, auf langsame Passagen folgen Passagen von rasanter Schnelligkeit. Disharmonie und Harmonie lösen einander ab. Nic Hess arbeitet aber nicht mit einer einfachen, linearen Erzählweise, sondern mit einem Geflecht von Ereignissen.

Zeichnen heißt bei ihm in erster Linie Zeichen setzen. Er füllt zielgerichtet und beiläufig Ordner mit möglichen Sujets, die er bei Bedarf abruft, verändert, neu kombiniert. Die Ordner funktionieren wie die Soundbank in einem Sampler. Hierin ist seine Arbeit mit der herausragender Protagonisten der Pop Art vergleichbar. Allerdings werden – anders als bei der Pop Art – die anonymen Zeichen innerhalb des aufwendigen Prozesses von Entwurf und Produktion wieder persönlich. Die Spuren seines künstlerischen Prozesses bleiben sichtbar. Damit wirkt Nic Hess der Glätte von Markenzeichen entgegen.

Nic Hess (geb. 1968 in Zürich) besuchte von 1992 bis 1996 die Gerrit Rietveld Academie Amsterdam und 1998 die Hochschule der Künste in Berlin. 2001 erhielt er ein Arbeitsstipendium am P.S. 1 in New York und arbeitet seitdem in New York und Zürich.

Guten Morgen Deutschland! stellt die erste von zwei Passagen dar, die sich konkret mit dem "Kritischen Rückbau" befassen. Die Architektur des Hauses ist fester Bestandteil der Zeichnungsinstallation, aber wie eine zeitlich begrenzte Ausstellung wird sie nach einer bestimmten Zeit verschwinden. Geplant ist, die Holzverschalungen abzunehmen und die Türen, die in den Osten und Westen des Hauses führen, freizulegen. Die Ost-West-Achse, die seit den 70er-Jahren verbaut ist, wird wieder sichtbar.

Aernout Mik wird mit seiner Ausstellung Dispersionen. Passage II – Videoinstallation, die gegebenen Grenzen überschreiten und mit der Installation in den Kassenraum vordringen. Die Nord-Süd-Achse schält sich heraus und der erste Schritt hin zu einer öffentlichen Halle ist vollzogen.

Mit freundlicher Unterstützung der Pro Helvetica, Schweizer Kulturstiftung Pressetext

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Guten Morgen Deutschland!
Nic Hess - Passage I
Kuratiert von Stephanie Rosenthal