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HAP (Helmut Andreas Paul) Grieshaber gilt als der bedeutendste deutsche Holzschneider des 20. Jahrhunderts. Am 15. Februar 2009 wäre er hundert Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass zeigen das Museum Bochum im Haus Kemnade und die Kunsthalle Recklinghausen vom 15. Februar bis 13. April eine Auswahl aus dem umfangreichen Schaffen des Künstlers.

Die beiden sich ergänzenden Ausstellungen, die auf den jeweiligen Sammlungsbeständen der Institute basieren, stellen den überzeugten Menschenrechtler Grieshaber vor. Einen Künstler, der mit Schneidemesser und Stecheisen immer wieder gegen die Diktatoren der Welt antritt, der andererseits sein familiäres Umfeld schildert und dessen private Poesie in den ewigen Kreislauf des Lebens bettet, der Mythos und Religion als Quellen der Selbstfindung befragt oder die Zyklen der Natur feiert. Hatte der Expressionismus den Holzschnitt wieder entdeckt, da er die emotionale Intensität der künstlerischen Arbeit unmittelbar anschaulich werden ließ, steigert ihn Grieshaber mit kühnen Farbakkorden und einer unbändigen Gestaltenfülle zu Formatgrößen, die bislang der Malerei vorbehalten waren.

1909 im oberschwäbischen Rot an der Rot geboren, schließt Grieshaber nach dem Besuch der Oberrealschule zunächst eine Schriftsetzerlehre ab. Noch während seiner Lehrzeit schreibt er sich bei Ernst Schneidler an der Württembergischen Kunstgewerbeschule Stuttgart für das Studium der Gebrauchsgrafik und Kalligrafie ein. Mit dem Holzschnitt setzt er sich ab 1932 intensiv auseinander und findet in ihm rasch sein wichtigstes künstlerisches Medium. Sind seine ersten Drucke noch deutlich vom spätmittelalterlichen Linienholzschnitt beeinflusst, werden sie im Laufe der Zeit zunehmend abstrakter und flächenbetonter; sie verbinden Linie und Farbe, gestische Unmittelbarkeit und malerische Opulenz zu einer überzeugenden Synthese und gelten zu Recht als Höhepunkte der Druckgrafik.

Von Beginn an sieht sich Grieshaber als „homme engagé, für den es selbstverständlich ist, dass eine Sache nur dann Wert hat, wenn sie politisiert worden ist“, als „betroffener Zeitgenosse“, dessen gesellschaftspolitische Haltung tief in der Tradition des abendländischen Humanismus wurzelt. Zwangsläufig belegt ihn das nationalsozialistische Regime 1933 mit einem Mal- und Ausstellungsverbot und diffamiert ihn als „entarteten Künstler“. Grieshaber schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, entwickelt sein druckgrafisches Werk aber im Verborgenen konsequent weiter. Unter dem Motto „Malgré tout“ entstehen bis 1939 die so genannten Reutlinger Drucke, die bereits alle Merkmale des späteren Werks aufweisen, etwa den fließenden Kontur, der im Schnitt des Messers den Duktus des Schreibens und die Leichtigkeit des Pinsels bewahrt.

Nach seiner Zeit als Soldat und später Kriegsgefangener kehrt Grieshaber 1946 krank und arbeitsunfähig auf die Achalm bei Eningen am Rande der Schwäbischen Alb zurück, wo er sich 1933 ein kleines Atelierhaus errichtet hatte. 1949 entsteht das Ulmer Tuch, Grieshabers erste monumentale Holzschnittfolge.

1951 beruft man ihn an die Kunstschule im ehemaligen Kloster Bernstein über Sulz am Neckar (Bersteindrucke), 1955 an die Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe als Nachfolger Erich Heckels und 1956 an der Akademie der Künste in Berlin. Aus Protest gegen die 1940 erlassene Prüfungsordnung tritt er 1960 von seinem Lehramt in Karlsruhe zurück, wo u. a. Horst Antes, Dieter Krieg und Walter Stöhrer zu seinen Schülern zählen. Zusammen mit Walter Warnach und Heinrich Böll arbeitet Grieshaber zwischen 1960 und 1962 für die Zeitschrift Labyrinth, von 1964 bis zu seinem Tod gibt er die Publikation „Der Engel der Geschichte“ heraus, die zu aktuellen gesellschaftlichen Themen Stellung nimmt, den konkreten Anlass aber allgemeingültig deutet und so dem Augenblick Dauer verleiht. Seit 1966 – in diesem Jahr erscheint der Totentanz von Basel im VEB Verlag der Kunst, Dresden – ist Grieshaber auch in der DDR tätig, etwa im Komitee der Biennalen der Ostseestaaten in Rostock. 1978 wählt man ihn zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Künste der DDR.

1951 verleiht man ihm den Kunstpreis junger westen der Stadt Recklinghausen, 1957 den Oberschwäbischen Kunstpreis, 1961 den Kunstpreis der Stadt Darmstadt und ein Jahr später den Cornelius-Preis der Stadt Düsseldorf, 1968 den in Recklinghausen übergebenen Kulturpreis des Deutschen Gewerkschaftsbundes, 1971 den Dürer-Preis der Stadt Nürnberg und 1978 den Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig. Er nimmt an der documenta I, II und III in Kassel teil, sowie an der XXXI. Biennale di Venezia. 1976 stiften Grieshaber und der Bildhauer Rolf Szymanski den Jerg-Ratgeb-Preis „für Freiheit der Kunst und Gewaltlosigkeit im Kampf um mehr Menschlichkeit“. Am 12. Mai 1981 stirbt HAP Grieshaber auf der Achalm.

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Grieshaber100
HAP Grieshaber zum 100. Geburtstag - Holzschnitte
Orte: Kunsthalle Recklinghausen; Kunstmuseum Bochum im Haus Kemnade