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Eröffnung am Freitag, dem 26. Oktober von 19-21 Uhr

"Die Geschichtsschreibung wurde derart konstruiert, verwaltet und einer bestimmten Logik der Veröffentlichung unterworfen, dass Material, das von direktem Interesse für schwul-lesbische Studien gewesen wäre, oft wortwörtlich aus dem unmittelbaren Gesichtsfeld gefallen oder vollständig verschwunden ist." Es war gang und gäbe, dass Familienmitglieder oder Erben solcher Künstler, die verdächtigt wurden homosexuell gewesen zu sein oder es auch waren, private Dokumente wie Briefe oder Tagebücher oder sogar Kunstwerke nach ihrem Tod zerstörten (John Singer Sargent, Thomas Eakins). "Die Geschichte der Zerstörung visueller Aufzeichnungen von Homosozialität, Homoerotik und Homosexualität – sei es durch einfache Nachlässigkeit, sei es durch systematische Unterdrückung – hat dazu geführt, dass selbst einige der einfachsten Fragen (War dieser oder jener Künstler homosexuell? Wem gehörte dieses oder jenes Bild?) nicht mit Sicherheit beantwortet werden können." (1)

"Beobachtungen von Manipulationen Manipulation von Beobachtung Sammeln von Informationen Weitergabe (oder Ausstellen) von Informationen" (2)

Henrik Olesen (*1967, lebt in Berlin) präsentiert in seiner dritten Einzelausstellung in der Galerie Daniel Buchholz die Installation "Some Gay-Lesbian Artists and / or Artists relevant to Homo-Social Culture I-VII". Zentraler Bestandteil der Arbeit sind sieben großformatige Bildtafeln, die der Künstler auf Holzstellagen oder direkt auf die Wand montiert räumlich inszeniert. Auf den Tafeln versammelt Henrik Olesen eine über den Zeitraum von ca. zwei Jahren entstandene Bildrecherche homo-sozialer und homoerotischer Abbildungen aus der Kunst- und Kulturgeschichte, sowie Zeugnisse von Biografien homosexueller Künstler. Die Recherche-Funde erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wollen keine Chronologie erzeugen. Vielmehr bespiegeln sie den Apparat zugänglicher Geschichtsschreibung kunsthistorischer Publikationen und des Internets. Sie sind Intervention und Gegendarstellung einer an sich schon immer lückenhaften, vorherrschenden und damit heterosexuellen Geschichtsschreibung und wollen weniger aufklären als vielmehr gängige Vorstellungen verunsichern. Querverweise von Bildsujets zu biografischen Zeugnissen folgen dabei der idiosynkratischen Logik des Recherchierenden. So begegnen hier Maler homo-erotischer Sujets wie Jean-Fréderic Bazille (1841-1870) etwa einem Maler wie Eduard Manet (1832-1893), dessen favorisiertes weibliches Modell Victorine Meurent (1844-1927) eine lesbische Künstlerin war. Die Tafeln erstellt Henrik Olesen nach dem Vorbild des berühmten "Mnemosyne-Atlas" des Kunsthistorikers Aby M. Warburg (1866-1929), dessen fragmentarischer kulturhistorischer Bilderatlas in Sektionen thematischer Gruppen gegeliedert, Abbildungen von Werken der Kunstgeschichte sozial-historischen wie populär-kulturellen Abbildungen, sowie Karten und Statistiken einander gegenüberstellt.

Henrik Olesen unterteilt die Bildtafeln seiner Arbeit in die Sektionen:

I. The Appearance of Sodomites in Visual Culture / Monsters and Sodomites / Anti-Homosexual Trials / Bodies

II. Fathers / Masculinity / Dominance / Violence / Bondage / Bodies / Männerfreundschaft

III. Some Faggy Gestures

IV. The Effeminate Son / Out of the City into the Woods / Cruising / Baths / Sex in America / Subcultures

V. American Male Bodies / English Lads / Melancholy

VI. Female Societies, Amazons, Myths / Women's Baths / Girl's Rooms / Lesbian Visibility / Woman's Portraits by Female Artists

VII. London Goth / Paris Femme / American Dykes in Rome / New York 1810-25

Henrik Olesens Installation "Some Gay-Lesbian Artists and / or Artists relevant to Homo-Social Culture I-VII" wurde in einer anderen Konfiguration bereits im Mai diesen Jahres als Teil seiner Einzelausstellung im Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich gezeigt.

(1.) Whitney Davis "Introduction", in: Gay and Lesbian Studies in Art History, Hg. Whitney Davis, New York: Harrington Park Press, 1994, S. 2-3. (2.) Bruce Nauman, Auszug aus: "Dance Piece, Work and Notes, Early 1970", Artforum, New York, Dezember 1970. Beide Zitate aus: Henrik Olesen "Vertragsgebundene Begrenzung durch die Vorgabe von maximal 40.000 Zeichen (ohne Leerzeichen)", in: Art After Conceptual Art, Hg. Alexander Alberro u. Sabeth Buchmann, Reihe Sammlung Generali Foundation, Wien 2006, S. 247-248.

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Henrik Olesen
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