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_Henry VIII´s Wives besteht aus sechs Mitgliedern. Bis 1997 habt ihr alle bei Ross Sinclair an der School of Fine Arts in Glasgow studiert und seitdem zahlreiche Ausstellungsprojekte realisiert. Ihr kommt nicht nur aus verschiedenen Nationen, sondern arbeitet mittlerweile auch in unterschiedlichen Bereichen. Einer eurer Kataloge trägt den treffenden Titel ìWe march under the banner of visual Artî. Wie ist die Arbeitsweise von Henry VIII´s Wives? Welche Rolle spielt Identität?

Nach sieben Jahren haben wir noch immer keine ÑGeschäftsordnungì und die Hoffnung, dass es so bleiben wird. Unsere Treffen sind kürzer als vorher (man kennt sich ja bereits), dafür öfter (man hat ja Pläne). Unsere interne Kommunikation funktioniert ein bisschen wie das ÑT-Shirt Prinzipì von Ross Sinclair. Er hat damals eine Reihe von T-Shirts angefertigt auf denen eingängige Sprüche gewohnte Stereotype ad absurdum führten. Wir sechs Mitglieder denken über eine Idee nach, bis diese Ñgriffigì auf einer stolzen Brust stehen könnte. Der potentielle T-Shirt Slogan dient unseren sechs Köpfen als Ansatz komplexere Ideen Ñanzuhängenì. Auf diese Weise sind immer unterschiedliche Interpretationen innerhalb der Arbeiten zu lesen, denn jeder einzelne von uns fügt unterschiedliche Schwerpunkte und Interessen hinzu. Deswegen ist Identität definitiv ein Thema, das uns künstlerisch interessiert. Dieser scheinbar klare Begriff liefert uns Ansatzpunkte. Immer sind es die Identitäten von Orten und deren Wirkung auf die Gedanken oder Handlungen der Menschen, die den Ausgangspunkt für unsere kleinen Forschungsreisen bilden. Zusätzlich interessieren uns die Fäden, die in die Vergangenheit zurück reichen als Grundsteine für unsere Arbeiten. Indem wir Personen, Stimmen, Gegenstände und Orte unvermittelt zusammen bringen, zeigen wir auf das Gewohnte, auf das Etablierte, auf das durch Dauer akzeptabel Gemachte. Viele unserer Arbeiten vollführen so eine Art ÑFabrizierung von Geschichteì.

_Eure Installationen, Fotografien und Filme verwenden die soziale Gegenwart und / oder historische Quellen als Matrix. In der Fotografieserie ìIconic Momentsî (1999) imitieren Laiendarsteller historische Fotografien wie z.B. die Ermordung von Lee Harvey Oswald. Welche Bedeutung hat der Begriff der Realität in euren Arbeiten?

Die Arbeiten, die entstehen, sind real. Es ist Realität, dass sich unsere sechs Köpfe zu einem Werk bekennen. Es wundert uns selbst oft genug, wenn beispielsweise die beiden Damen und die beiden Herren des Seniorenheims auf ihre alten Tage noch mal Model stehen und dass sie dabei Bilder nachstellen, deren Bedeutung sie ihr Leben lang nicht vergessen haben, dass sie diese Handlung mit der Leichtigkeit des Alters tun, wenn die Exzentrik wieder annehmbarer scheint und der Zwang zur Anpassung nicht mehr existenziell ist. Dieses Spiel mit Realität ist Teil unserer Arbeit. Der dokumentarische Aspekt unserer Arbeiten ist wichtig, weil er Hinweise auf die Entstehung wie beispielsweise der Fotos gibt. Das ist ein bisschen so wie Pinselstriche vom Malen erzählen, aber am Ende zählt dann eben nur das Bild, die Komposition. Es ist oft der Fall, dass wir Menschen in unsere Arbeit einbeziehen, die normalerweise wenig Berührung mit symbolischen Akten oder darstellerischen Projekten haben. Um die Hilfe dieser Menschen zu gewinnen müssen wir immer mit einem Fuß auf dem ÑBoden der Tatsachenì stehen. Mit zwölf Beinen, fällt uns das auch nicht schwer.

_Die Ausstellung ìBeauty of the Land, We Live In a Beautiful Landì steht in inhaltlichem Zusammenhang mit eurer letzten Ausstellung ìRomantic Detachmentî im P.S. 1 in New York. Wie ist nun die Filminstallation entstanden und was ist euer Interesse in der jetzigen Ausstellung? Der Film entstand sicherlich in Reaktion auf die sich immer weiter verschärfende Polarität in der Welt. Die Suche nach Ñreinem Weißì und Ñungefärbtem Schwarzì kann man als neoromantische Obsession betrachten. In unserer Filminstallation brauchten wir auch widerstreitende Charaktere und dazu die spannende Figur des Moderators. Zuvor haben wir im Lake-District, einer der schönsten Gegenden Englands, mit allgemein hochgeschätzten Mitgliedern der Gemeinde sowie mit Häftlingen und deren Therapeut Interviews geführt. Diese Interviews zielten darauf Geschichten und Aussagen zu moralischen Fragen in alltäglicher Sprache zu sammeln. Aus diesem Schatz grammatikalisch innovativer Zeilen verfassten wir den Text für den Film. Hier lehrt uns das Leben eine Lektion: Den Moderator können wir vergessen. Das Ergebnis war ein Film für zwei Monitore, auf denen zwei Frauen im Gespräch sind. Rede und Widerrede lassen widersprüchliche Charaktere entstehen, aber bald klingen die Argumente der einen wie die der anderen. Da braucht es keinen Moderator. Gedreht haben wir letztendlich in New York im 16. Stock der Deutschen Botschaft mit Blick über den East River. Auf dem rechten Monitor bricht die Sonne durch kalte Oktoberwolken. Auf dem linken Monitor brechen sich ihre Strahlen in der Glasfront des Hauptquartiers der UN. Das Wetter tut sein bestes um beide Bildschirme zeitlich zu verklammern, das Glück ist da - na endlich!

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