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Vernissage: Mittwoch, 24. Oktober 2007, 18–21 Uhr Der Künstler wird am Vernissageabend persönlich anwesend sein.

Der entschieden nicht entscheidende Augenblick

«Die Fotografie fesselt den Blick an die Oberfläche. Damit vernebelt sie gewöhnlich das verborgene Wesen, das nur wie ein Licht- und Schattenhauch durch die Züge der Dinge hindurchschimmert.» Franz Kafka (in: Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka, Frankfurt am Main 1977)

«Glück» war oft die Antwort, fragte man Fotografen nach Gründen für das Gelingen ihrer Bilder; sie schienen zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein – ein anachronistisch wirkendes Kriterium, heute, wo jedes denkbare Foto erzeugt werden kann und der glückliche Zufall keine Rolle mehr spielt. Zu Herbert Webers Arbeitsweise gehört das Gespür für den richtigen Augenblick, zugleich aber auch die Kenntlichmachung der Strategien seiner inszenatorisch aufgeladenen Studien. Verbunden ist beides mit jener Poesie, die immer noch eines der charakteristischsten Merkmale seiner Welterkundung und -durchdringung ist. Eine Tendenz gibt es zu beobachten: Weber hat sich der Natur angenähert und ist ihr immer ferner geworden. Nie, auch nicht in frühen Arbeiten, ging sein Körper in der Umgebung auf, sondern immer schien er Zeichen zu setzen, die wir Zuschauer, manchmal mit Hilfe der Bildtitel, zu enträtseln suchten. Sein System aus Bewegungen, das die Neugierde an der Interaktion von Mensch und Natur lenkte, war Ausdruck vorsichtiger Erkundung und überwältigender Experimentierfreude. Doch mittlerweile wird aus der Landschaft eine künstliche «Kritische Landschaftsplastik», und es tauchen Fremdkörper auf, leere Zettel oder jene Box, die in «Grenzen der Beweisbarkeit» so beleuchtet wird, dass sie zu einem Lichtobjekt zu werden scheint und dadurch jene Leichtigkeit erlangt, die Webers anspielungsreiche, philosophischverschrobene Titel konterkariert.

Dadurch, dass immer wieder sowohl die Ausleuchtung als auch das fotografische Verfahren überhaupt im Bild thematisiert wird, indem sich etwa das Auslöserkabel präzise abzeichnet, entsteht ein unaufdringlicher Hinweis auf die Konstruiertheit der Bilder, die dem Zufall noch immer genügend Raum lässt, um die Fotografien als reflektierte Beglaubigung von Erfahrung gelten zu lassen. Diese Zeugenschaft funktioniert auch ohne die Anwesenheit des Fotografen im Bild. Andere Spuren, Hinweise auf einen Referenten, der das Bildgeschehen bestimmt, gibt es in der surrealen «Erinnerung», in der die realen Schuhe einen Schattenkünstler bekleiden.

Das Zufällige der Bilder folgt stets einer traumwandlerisch präzisen Choreographie, der Zweifel an der Oberfläche manifestiert sich in den nur auf den ersten Blick skurrilen Experimenten, in «Beleuchtung der Vernunft» etwa, in welcher der Fotograf mit Blitz und Stativ vor einer nebulösen Wand steht und vergeblich versucht, «etwas Licht in dieses grosse Grau zu bringen» (H.W.). Wir beobachten ihn bei seinen Auseinandersetzungen mit dem gewählten Medium und einer Welt, der Weber, anders als die meisten Fotografen, nichts entreissen möchte. Als Betrachter findet man sich in der Rolle jenes Freundes wieder, für den auf dem Eingangsbild eine Scharade mit Jackett aufgeführt wird, hinter dem das Gesicht des Fotografen verschwinden kann, weil seine Bildsprache wieder erkennbar ist. Das verborgene Wesen schimmert durch die Züge der Landschaften und Dinge hindurch.

Herbert Weber, geboren 1970, 2000–2005 Studium der Fotografie an der HGK Zürich. Diverse Einzel- und Gruppenausstellungen, u.a. im Fotomuseum Winterthur, in der Neuen Kunsthalle, St. Gallen und in der CoalMine Galerie in Winterthur. Seine Arbeiten sind in verschiedenen Kunstpublikationen abgedruckt, u.a. in «Reale Fantasien» (Merian, Basel 2006) und «Emerging artists» (Sammlung Essl, 2006). 2007 erhielt er einen Werkbeitrag vom Kanton St. Gallen.

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Herbert Weber
an und aufsichten, nr. 6