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Selten schwingt bei einem künstlerischen Werk - so vielschichtig es auch sein mag - derart vieles mit, selten spielt ein Künstler derart mit der Deutung wie Hervé Garcia. Ihm dient die Photographie oft als Zeichnung künftiger Projekte, die Zeichnung als Gemälde, das Gemälde als Entwurf für Skulpturen, die Skulpturen (oder Installationen) als Zeichen und richtungsweisendes Signal, und schließlich der Klang des Gesamtbildes als fiktionale Ordnung. Hervé Garcia realisiert und konkretisiert, was Umberto Eco als „offenes Kunstwerk“ bezeichnet hat, also ein Kunstwerk, das Beweglichkeit erzeugt und eine Unbestimmtheit, die in eine Variationsunendlichkeit möglicher Wahrnehmungen mündet.(…)

Wo dennoch die Gefahr besteht, dass sich ein derart „offenes“ Kunstwerk in einer Rhetorik der Beliebigkeit verliert und droht, konfus und problematisch zu werden, versucht Hervé Garcia, über oft spielerische oder poetische Verfahren der eigenen Komplexität einen Sinn zu geben.(…)

mit einer Reihe ästhetischer Mikroerfahrungen im wahrsten Sinne des Wortes konfrontiert, die für das rationale Auge so widersprüchlich wie verwirrend sind. Ein erster Versuch, das Chaos zu organisieren.(…)

Um den Begriff der Komplexität gruppiert sich eine große Zahl aktueller Fragestellungen: Wie lassen sich natürliche, soziale, menschliche Phänomene betrachten, bei denen eine Vielzahl von Faktoren in einer Wechselbeziehung steht, die wiederum untereinander sich bedingen? Wie kann man ein Bild der Wirklichkeit zusammensetzen, das die einzelnen Wissensgebiete verbindet, ohne diese dabei in einer hypothetischen globalen Synthese zu verschmelzen? Wie lässt sich die Unordnung, das Ungewisse, das Unerwartete, der Zufall in die Kenntnis von der Wirklichkeit integrieren? Wie kann man das Unlösbare und die Subjektivität bei der Erforschung von Phänomenen akzeptieren ohne auf gedankliche Schärfe und Kohärenz zu verzichten? Und wie sind schließlich Kluften zwischen prinzipiell rivalisierenden Ansätzen (Subjekt / Objekt, Individuum / Gesellschaft, Natur / Kultur) zu überwinden? Edgar Morin, ein wahrhafter Denker der Komplexität, kommt in seiner Forschung auf die Begriffe der rekursiven Schleife und vor allem des Dialogischen zu sprechen, die man sehr deutlich in der Arbeit von Hervé Garcia wiederfindet. (…)

Die verstreut dargestellten Elemente ergeben schließlich tatsächlich eine Grammatik, ein Vokabular, sogar eine Algebra, sie sind einfache Satzglieder, „Bild-Zeichen“, die eine Schreibweise der Formen konstituieren, die im Grunde die Wahl einer potenziellen Fiktion zulassen, oder zumindest einer Fiktion, die unaufhörlich im Wandel begriffen ist.(…)

Éric Mangion Leiter des Frac (Fonds régional d’art contemporain) Provence-Alpes-Côte d’Azur

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Herve Garcia
Archaic Smile