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Im zweiten Teil des Ganzjahresprojektes How to cook a Wolf stellt die Kunsthalle Zürich die beiden in New York produzierenden Künstlerprojekte Lee Williams und Sundblad / Granat Films vor. Die Kollaboration von je zwei Künstlerinnen steht in diesen Projekten ebenso im Zentrum wie die Zeichnung, der Zufall und das Spiel mit Identität und Identifizierbarkeit.

LEE WILLIAMS Das Projekt Lee Williams ist ein Set von Produktionsanleitungen für Zeichnungen, die die Künstlerinnen Emily Sundblad und Jutta Koether im Sommer 2005 kreiert haben. Lee Williams Zeichnungen werden mit einem Bleistift der Stärke 2, mit Linealen, Streichhölzern und gelegentlich Farbstiften hergestellt. Sie entstehen auf weissem oder leicht gefärbtem Papier und werden in einfachen Plexiglasrahmen gezeigt. Die Zeichnungen sind nicht gegenständlich (also abstrakt); häufig sind sie geometrische Kompositionen, und die Oberfläche des Papiers wird gelegentlich mit Brandspuren verletzt.

In der Zeit von 2005 und 2006 sind die Arbeiten von Lee Williams zu einem grossen Komplex angewachsen. Meistens sind die Zeichnungen in interaktiven, performativen Events entstanden, bei denen das Publikum aufgefordert wurde, mit dem reduzierten Set an Produktionsanleitungen Zeichnungen zu machen und so selbst Lee Williams zu werden. In dem sonst als Vortragsraum genutzten Veranstaltungsort Scorched Earth produzierten Koether und Sundblad zusammen mit den Direktoren der Institution Lee Williams’ Arbeiten in Anwesenheit des Publikums. Die Aktion wurde von einem Soundtrack begleitet. Dieser besteht aus einem mäandernden Text, den die Schauspielerin Sybil Kempson liest. Der Text ist eine Kombination aus tagebuchartigen Notizen von Lee Williams, Beschreibungen von Zeichnungen und Erklärungen über den Prozess ihrer Entstehung. Untermalt ist der Text von Soulmusik und amerikanischen Volksliedern.

Zur Echigo Tsumari Art Triennial in Niigata in Japan erschien Lee Williams im Kontext der Performance Grand Openings. Der Anlass fand in der Turnhalle einer Schule statt und 300 Schüler nahmen insgesamt daran teil. Eine Gruppe von 15 Schülern realisierten Lee Williams zusammen mit Sundblad und Koether, dieses Mal begleitet von einem poetischen Manifest, das der Kunstlehrer der Schule in der Stimme Lee Williams in Japanisch intonierte.

In der Kunsthalle Zürich stellt sich Lee Williams in einer zweiteiligen Ausstellung vor. Den Beginn macht die Retrospektive der Zeichnungen von Lee Williams; für den zweiten Teil entstehen Lee Williams’ Arbeiten in einem performativen Event, die dann Teil der gesamten Ausstellung werden. Das Datum der Veranstaltung wird zu gegebener Zeit veröffentlicht. Biographische Angaben

Lee Williams lebt und arbeitet in Taos, New Mexico, USA. Als Kind erhielt sie Unterricht von Agnes Martin. Sie hat ein umfassendes Wissen über psychedelische Drogen und deren Effekte. Als Teenager lebte sie kurz in New York und war ein aktives Mitglied der Downtown Club Szene. Sie ist auch Poetin. Lee Williams wird in New York von Reena Spaulings Fine Art vertreten.

Ausstellungen Mount Analogue Academy, Galerie Christian Nagel, Köln, März 2007 Grand Openings, The Echigo Tsumari Art Triennial, Niigata, August 2006 Grand Openings, Magical Art Gallery, Tokio, August 2006 Bring The War Home, Elizabeth Dee Gallery/QED Gallery, New York & Los Angeles, Juli 2006 The Dimes of March, Reena Spaulings Fine Art, New York, März 2006 Lee Williams, Sound and Drawing event, Scorched Earth, New York, Februar 2006 Liste Art Basel, Basel, Juni 2005

SUNDBLAD / GRANAT FILMS Sundblad / Granat Films ist eine fortlaufende und serielle Produktionseinheit in New York. Die stummen, in der Kamera geschnittenen Kurzfilme kann man als Zeichnungen auffassen, die aus Licht und Tempo entstehen. Sie sind auch ein Archiv in ständigem Prozess, das mit jeder neuen Produktion erweitert und verändert wird. Im Verlauf der Zeit nimmt das Projekt zudem den Charakter eines Tagebuches zweier Künstlerinnen an.

Amy Granat und Emily Sundblad sind gleich alt, sie sind beide im Sternzeichen Zwilling geboren und sehen fast identisch aus: Sie sind gleich gross, gleich gebaut und haben ähnliche Frisuren.

In ihren Filmen teilen sich die beiden Künstlerinnen die Präsenz im Bild, sie ersetzen sich gegenseitig, wechseln sich ab oder spielen sich als Double – dabei verliert sich die Unterscheidung zwischen den beiden zuweilen vollkommen.

Sundblad beschreibt diesen Effekt mit Robert Altmans Film Three Women, in dessen Verlauf Sissy Spacek und Shelley Duvall die Identität tauschen: „Dieser Identitätswechsel scheint in einem dritten Charakter statt zu finden. Nämlich in der selbstmordgefährdeten verrückten Künstlerin, die riesige Paisley Muster in einem leeren Schwimmbad malt. Ich vermute Amy und ich sind dieser Person im Film am nächsten.“

Jeder Film basiert auf einer einfachen Aktion oder Aktivität, die die beiden Künstlerinnen abwechselnd ausführen, während die andere filmt. Die Aktivitäten sind häufig konzentrierte Wiederholungen von magischen oder rituellen Handlungen, aber es gibt immer auch ein gehöriges Mass an Zufall, denn die Kamera selbst spielt Tricks aus und der Film selbst benimmt sich daneben. Was zu sehen ist, wird immer wieder von Lichteinfällen, totaler Dunkelheit oder mechanischen Störungen irritiert, die die beiden Frauen durch undefinierbare, abstrakte Passagen zu ersetzen drohen.

Sundblad / Granat Films evozieren auch frühe pantomimische Komödien wie das Vaudeville, zum Beispiel die Stummfilme von Buster Keaton, Mary Pickford und Fatty Arbuckle. Sie erinnern aber auch an die choreographischen Etüden von Simone Forti, in denen Bewegungen und Gesten wie kompositorische Notationen zu einem grösseren Ganzen fungieren.

Die Aufmerksamkeit der Künstlerinnen gilt der spielerischen Beziehung, die zwischen ihren eigenen Aktionen und dem Apparat ihrer Aufzeichnung, der Geschwindigkeit und Mechanik der Kamera entstehen. Die handgekurbelte 16mm Bolex, die sie für ihre Filme verwenden, interveniert mit ihren Aktivitäten, da ihre Geschwindigkeit nicht stabil ist, sie immer wieder aufgezogen oder ein neuer Film eingelegt werden muss. Die Kamera übernimmt so die Rolle eines dritten Mitspielers ausserhalb der Leinwand.

In der Ausstellung in der Kunsthalle Zürich sind die ersten vier, im Winter 2006/2007 entstandenen Filme der Sundblad / Granat Serie zu sehen: Smudge, Pumpkin, Tap and Shadows.

Konzert: Samstag, 14. April, 20 Uhr Das ensemble für neue musik zürich spielt neue Werke von Bruno Stöckli (Portrait) Sieben Entretiens, 2004, Fall, 1996/2000 / L.A.C. (V3), 2001/04 / Bribes [Nr. 5], 2001 / Studie in B, 2007 (mit einem Film zur Musik von Rolf Winnewisser)

Katalog: Im Verlaufe des Jahres entsteht eine Sammlung von Essays, Texten und Materialien, die das Projekt inhaltlich und diskursiv in einem umfassenden Reader zu fassen versucht.