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HR Giger & Mire Lee

18. September 2021 – 2. January 2022 (verlängert bis 20.03.) Eröffnung: 17. September 19:00

In einem gleichermaßen verführerischen wie dystopischen Szenario verbindet der Schinkel Pavillon erstmals die Welten des Schweizer Visionärs HR Giger (1940-2014) und die Werke der südkoreanischen Künstlerin Mire Lee (*1988).

HR Giger war nicht nur Maler, Bildhauer und Designer, sondern auch Erfinder des legendären Xenomorph, der außerirdischen Spezies aus Ridley Scotts 1979 produzierten Kultfilm “Alien”. Neben herausragenden Arbeiten, die zur Erschaffung dieser ikonischen Figur führten, zeigt die Ausstellung das Gesamtkunstwerk des Künstlers – darunter frühe Ölgemälde, Tuschezeichnungen, Skulpturen und nie zuvor gezeigte Auszüge aus privaten Tagebüchern. Außerdem verortet die Ausstellung Giger als späten Surrealisten. Die ausgestellten Werke offenbaren den zeitlosen Freud‘schen Horror und vergegenwärtigen tief in Gigers Schaffen verankerte gesellschaftliche Ängste.

Mire Lee wurde jüngst mit ihren kinetischen Skulpturen und quasi-alchemistischen Installationen bekannt; komplexe Anordnungen und Gebilde aus Silikon, PVC-Schläuchen, Polyester und Baumaterialien, durch deren organähnliche Gänge und Gefäße zähflüssige Substanzen zirkulieren oder zu wuchernden Krusten gerinnen. Die für den Schinkel Pavillon neu entwickelten Arbeiten erinnern an sezierte Körperteile und mechanisch-triebhafte Stoffwechselprozesse.

HR Giger und Mire Lee verwandeln den oktagonalen Hauptraum des Schinkel Pavillons in eine gebärmutterartige, übergroße Waabe. Darin verbildlichen Gigers Visionen grotesker, mutanten-ähnlicher Figuren seine im Kontext des Kalten Krieges verortete Angst vor dem nuklearen Wettrüsten, während seine vorgeburtlichen, nicht zuletzt persönlichen Traumata, auf beklemmende Weise Gestalt annehmen.

Dazwischen schweben, von der Decke hängend, Mire Lees Carriers – offsprings (2021); rosafarbene, bauchige Kreaturen mit wuchernden, nabelschnurartigen Tentakeln, durch deren Inneres schleimige Flüssigkeiten gepumpt werden, die hin und wieder herausspritzen. In existenziellen Prozessen und Zuständen – von Wachstum und Verfall, von Fülle und Leere – manifestiert sich Lees tiefgehende Faszination für die in der Psyche verwurzelten triebhaften Aspekte des Daseins. Während die moderne Gesellschaft diese Triebhaftigkeit weitgehend verdrängt, erkundet Lee in ihrer Kunst ebensolche Extreme, wie den Fetisch der Vorarephilie – der Sehnsucht, ein Lebewesen vollständig zu verschlingen oder von ihm verschlungen zu werden.

Das untere Geschoss des Schinkel Pavillons wird zum Schauplatz einer dämonischen und erotischen Liebesgeschichte zwischen Gigers Necronom (Alien) (1990) und Lees menchanische Skulptur Endless House (2021). Diese dramatische Paarung zweier Kunstwesen setzt sich in weiteren Werken von HR Giger fort – darunter sein ikonisches Airbrush-Gemälde Necronom IV (1976) sowie zahlreiche Skizzen für Alien, erotische Zeichnungen und Tagebucheinträge, die Einblick in die düstere Vorstellungskraft des Künstlers gewähren.

Sowohl Gigers als auch Lees ‚Organismen‘ lassen sich als Phantasmagorien von Menschen und Maschinen verstehen, die ein widersprüchliches Ganzes bilden und deren unvollendetes Dasein permanent zwischen Verfall und Auferstehung oszilliert.

Kuriert von: Agnes Gryczkowska
Assistenzkuratorin: Hendrike Nagel
Im Rahmen der Berlin Art Week
Besonderer Dank an Antenna Space, Shanghai und Tina Kim Gallery
Gefördert durch den HauptstadtKulturFonds, die Mondriaan Fund and das Koreanisches Kulturzentrum.
Mit freundlicher Unterstützung der Schweizerischen Botschaft in Berlin