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Grußwort: Holger Graab, Vorstandsvorsitzender
Einleitung von Noor Mertens, Direktorin Kunstverein Langenhagen, gefolgt von einem Gespräch zwischen Isabel Nolan und Noor Mertens

Die neue Saison im Kunstverein Langenhagen beginnt mit einer Einzelausstellung der irischen Künstlerin Isabel Nolan (Dublin, 1974). Ein Fuß in der Welt ist die dritte in einer Reihe von Ausstellungen, die zuvor in der Douglas Hyde Gallery in Dublin (Calling on Gravity, 2017) und im Grazer Kunstverein (Curling Up with Reality, 2017-18) stattfanden. Der Fokus der Ausstellungsserie liegt auf der Frage, wie durch den menschlichen Verstand Sinn in die Welt gebracht wird. In der speziellen Zusammenstellung der Werke für den Kunstverein Langenhagen konzentriert sich Nolan auf die Auseinandersetzung mit der Realität und der Perspektivenvielfalt, mit der Menschen die Welt verstehen und in Beziehung zueinander setzen.

In dem Text Ein Fuß in der Welt. Vier Gedanken, der speziell zu dieser Ausstellung geschrieben ist, spricht Nolan über den menschlichen Wunsch, sich von der eigenen Sterblichkeit zu befreien. In der von Menschen gemachten Unterscheidung zwischen niedrig und hoch, unten und oben und der bewussten Ausrichtung nach oben widerspiegelt sich der Wunsch nach Unsterblichkeit. Dieses Streben manifestiert sich nicht nur in Glaubenssystemen mit begleitender Symbolik – die christliche Kathedrale als ein kategorisches Beispiel, Gott näher zu kommen und damit die Körperlichkeit und andere weltliche Nichtigkeiten hinter sich zu lassen - sondern auch in dem Wunsch, den Tod durch Kultur zu überwinden und damit in Erinnerung zu bleiben.

In der Ausstellung wird die Faszination der Künstlerin für das ‚Niedrige’ auf subtile Weise herausgearbeitet. Ihre Arbeiten, zu denen hängende und bodenbezogene Skulpturen, Bilder, Fotografien und auch Texte gehören, heben das Niedrige und bringen es buchstäblich und im übertragenen Sinne auf eine andere Ebene. Mehrere Fotos zeigen den menschlichen (und manchmal tierischen) Teil des Körpers, der dem Boden am nächsten ist: die Füße. In mehreren Werken porträtiert Nolan auch den Boden selbst und zwar im Zustand erhabener Schönheit als Versuch (und Strategie), der irdischen Unreinheit zu entgehen – denn es ist der Boden, der Menschen und unmenschliche, vermeintlich geistlose Wesen auf die gleiche Ebene bringt. Auch der Ausstellungstitel thematisiert diesen Teil des Körpers, auf dem sich die Menschen aufrecht halten und durch den sie sich in der Welt bewegen können. Gleichzeitig bezieht sich der Titel aber auch auf die ambivalente Haltung des Menschen gegenüber seiner sterblichen Existenz: Das Bewusstsein, dass man stirbt, sorgt dafür, dass man diese Unausweichlichkeit umgehen will.

Ein Fuß in der Welt findet nicht nur in der ehemaligen Kegelbahn des Kunstvereins Langenhagen statt, sondern auch in der ehemaligen Kapelle im Eichenpark, dem Stadtpark von Langenhagen. Dieser Ort hatte früher auch manchmal als Ausstellungskontext gedient. Es scheint geeignet, dieses spezifische Gebäude im Eichenpark zu benutzen, der seit 1862 Sitz einer psychiatrischen Anstalt war, zunächst nur für Kinder, dann auch für Erwachsene. Die Institution war weitgehend autark und die Toten wurden auf dem Gelände selbst begraben, wo die Kapelle auch als Leichenhalle diente und Sektionsräume enthielt. In der Präsentation in der Kapelle sind auch Verbindungen zwischen hoch und niedrig, unten und oben gewebt. An dem Ort, an dem diese nicht beneidenswerten Menschen der Erde (‚in den barmherzigen Händen Gottes’) bestattet werden, wird nun die Unterscheidung zwischen oben und unten, zwischen privilegiert und bemitleidenswert, in eine andere Perspektive versetzt.