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Eröffnung: Freitag, 5. Dezember 2008, 19 Uhr

In einer ersten institutionellen Einzelausstellung präsentiert der Kunstverein Braunschweig vom 6. Dezember 2008 bis 15. Februar 2009 den bulgarischen Künstler Ivan Moudov (geb. 1975 in Sofia).

In seinen Performances, Installationen, Fotos und Videos beschäftigt sich Ivan Moudov mit sozialen und kulturellen Strukturen und Kommunikationspraktiken. Bekannt wurde er durch Aktionen, die den Betrachter direkt einbeziehen: Im Rahmen seiner Performance Traffic Control (seit 2001) regelte Moudov als bulgarischer Polizist verkleidet in verschiedenen europäischen Städten den Verkehr und dokumentierte die je nach kulturellem Kontext unterschiedlichen Reaktionen der Autofahrer und Behörden in Videos. Wild gestikulierend, aber durch seine Uniform mit kyrillischer Aufschrift „Policija“ mit zweifelhafter Macht ausgestattet, unterlief Moudov augenzwinkernd unsere Autoritätsgläubigkeit. In One hour priority ließ er mit einer zirkulierenden Autokolonne einen Kreisverkehr blockieren, bis die Aktion von couragierten Autofahrern und der Polizei gestoppt wurde. Letztlich zielen Moudovs Aktionen darauf, absurde Situationen in unserem alltäglichsten urbanen Umfeld und dessen Organisationsstruktur aufzuspüren.

Doch Ivan Moudov hinterfragt durch seine Provokationen, die er mit seinen Interventionen hervorruft, auch die Mechanismen der Kunstszene und seine eigene Identität als Künstler. In seinem prozessualen Projekt Fragments (seit 2002) betreibt er eine zeitgenössische Archäologie: Gezielt entwendet er in den Museen der Welt kleine Elemente aus Installationen berühmter Kollegen, wie ein Dia von Douglas Gordon oder eine Eierschale von Marcel Broodthaers. Die Diebesgüter werden katalogisiert und in einem Koffer, ähnlich dem Duchamp’schen „Boîte en valise“, auf Sockeln präsentiert. Der Raum der Kunst selbst wird Ort der Tat, das gestohlene Fragment zur Reliquie und gleichermaßen zum Tatbeweis. Eine Appropriation der anderen Art, doch neben der subtilen Institutions- und Repräsentationskritik verweist diese „Piratensammlung“ zugleich auf Moudovs Rolle als Künstler in Bulgarien, einem Land, das bislang noch über kein Museum für zeitgenössische Kunst verfügt. Eines seiner Langzeitprojekte ist daher das fiktive „Bulgarische Museum für Zeitgenössische Kunst“ (kurz „MUSIZ“), dessen Eröffnung Moudov bereits 2005 in einer PR-Kampagne ankündigte: Hunderte Journalisten, Diplomaten und Kunstinteressierte folgten der Einladung und strömten zur angeblichen Eröffnung zu einem Vorortbahnhof Sofias. Daneben arbeitet Moudov an einer eigenen, realen Sammlung, die er – Klischees bewusst bedienend – über einen Taschenspielertrick (Romanian Trick) finanziert und in Ausstellungen gleichberechtigt neben eigenen Arbeiten präsentiert.

Auch das klassische Sujet des Portraits unterläuft der ursprünglich als Maler ausgebildete Moudov hintersinnig wie humorvoll: Anstatt zu Portraitsitzungen lädt er die Portraitieren zum gemeinsamen Kaffeetrinken. Den fotografierten Kaffeesatz aber lässt er von einer Wahrsagerin analysieren und präsentiert diesen als zugleich abstraktes wie fiktiv-intimes Portrait in Manier der Kosuth’schen Konzeptkunst als Foto- und Textgegenüberstellung.

IVAN MOUDOV. TRICK OR TREAT ist die erste institutionelle Einzelausstellung Moudovs in Deutschland. In den letzten Jahren war Moudov an verschiedenen internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen beteiligt: Moderna Museet, Stockholm (2008), 52ste Biennale von Venedig (2007), 1st Moscow Biennial of Contemporary Art, Moskau (2005), In den Schluchten des Balkans, Fridericianum, Kassel (2003) oder Manifesta 4, Frankfurt a.M. (2002).

Zur Ausstellung erscheint als erste monografische Publikation ein Katalog (dt./engl.) mit Textbeiträgen von Iara Boubnova, Mats Stjernstedt und Hilke Wagner.

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Ivan Moudov
TRICK OR TREAT