press release only in german

„Wäre ich kein Maler geworden, hätte ich wahrscheinlich eine große Sammlung angelegt, mit vielen einzelnen Kästen, worin man übersichtig unzählige Dinge aufbewahren kann“, erzählt Jan Dörre, der aktuell seine erste große Einzelausstellung in der Kunsthalle Vierseithof in Luckenwalde präsentiert.

Es sind Gegenstände u.a. Plattenspieler, Kästen, Spiegel sowie Attribute des täglichen Lebens wie Messer, Tassen, Teller, die von dem Künstler aus Leipzig effektvoll arrangiert werden. Nennen wir dazu noch Motive, welche die Sujets seiner Bilder auf eine fast unheimliche Art vervollständigen z.B. Tiere, darunter Vögel, Schlangen, Mäuse, Schnecken und gar Fliegen, dann sind wir plötzlich bei der Gattungsbestimmung seiner Arbeiten angekommen. Und die Früchte? Diesmal sind es saure Zitronen, frische Wassermelonen oder süße Birnen, die den Betrachter zu verführen suchen. Menschen werden in Jan Dörres Arbeiten nicht abgebildet.

Stillleben natura morta oder stillleven, wie es die Italiener bzw. Niederländer sagen würden sind seit einigen Jahren das zentrale Thema von Dörres Arbeiten geworden. Fasziniert zeigt er sich von der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Doch auch Zitate deutscher Meister des Stilllebens, wie u.a. Isaak Soreau oder Georg Flegel, wurden in sein Werk aufgenommen. Spricht man Dörre auf die zeitgenössischen Maler des Stilllebens an, die in Verbindung mit seiner Kunst zu benennen wären, so erwähnt er den Holländer Jan van Tongeren. An kunsthistorischen Bezügen mangelt es den Werken des Leipzigers, der in Arnstadt geboren wurde, nicht. Sie sind zunächst in diversen Allegorien verschlüsselt, bleiben dennoch für den Betrachter gut lesbar. Der Totenschädel, die Knochen verweisen unverkennbar auf die Malerei des Barocks (Vanitas-Stillleben). Die Landschaften wiederum, die in den neuesten Bildern aus den Jahren 2008 bis 2010 auftauchen, schlagen eine Brücke zur Malerei der Renaissance (Sandro Botticelli). Überraschend wirken die künstlerischen Dialoge (Bilder im Bild), die Dörre in seinen Werken gezielt einsetzt. Die Palette der zu benennenden Maler reicht vom befreundeten Matthias Ludwig über den hoch geschätzten Hans Holbein bis zu Johann Heinrich Füssli. Hier zeigt sich die besondere Fähigkeit des Malers, die ästhetischen Stimmen der Vergangenheit in die Gegenwart zu holen. Mit Leichtigkeit bewegt sich Dörre, der zum Vertreter der Neuen Leipziger Schule zählt, auf seinem eigenen Schauplatz dieser Kunstrichtung.

Der Umgang mit bestimmten architektonischen Details wie Schwimmbad, Mauerwerk oder Treppe (David Hockney kann hier nicht unerwähnt bleiben) erweitert seine Arbeiten um eine geometrisch-räumliche Dimension. Die Verwendung von flachen, auch grellen Farben (rosa, türkis, gelb) und Licht-und-Schatten-Spielen zeigt den Schüler von Sighard Gille als einen begabten Farbflächen-Maler, der es schafft, stets neue Räume zu gestalten. Der Zeitbegriff verbindet als inhaltliche Klammer die Werke, die in dieser Ausstellung zu sehen sind. Auf anspruchsvolle Weise gelingt es dem Künstler, das Publikum mit Themen wie Tod, Vergänglichkeit und Sünde sowie Erlösung zu konfrontieren. Ganz unpathetisch öffnet uns Jan Dörre die Tür zur reichen Kammer der Erinnerung. Das Thema Kindheit, das sich durch deren Begleiter in Form von Spielzeugen, Schriftzügen etc. manifestiert, wird bei ihm durch ein gedankliches Konstrukt der Familie ergänzt. An dieser Stelle sei das Bild „Stern“ (2008) erwähnt. Der bunte Papierstern ist kein Papeterieprodukt, er ist ein gebasteltes Geschenk von Dörres Tochter an den Vater.

In der Ausstellung zeigt der Leipziger Künstler Jan Dörre insgesamt 29 Arbeiten: Ölbilder, Aquarelle, Feder- und Kohlezeichnungen. Zum ersten Mal hat das Publikum die Möglichkeit, die Bilder des Künstlers, die private Sammlungen schmücken (u.a. Sammlung Stahlberg, SØR Rusche Sammlung), an einem Ort zu betrachten.

Text: Kasia Kaminska, Juni 2010

only in german

Jan Dörre
Das Ritual, Malerei
Kuratorin: Kasia Kaminska