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Eröffnung am 06. Oktober, 18 bis 21 Uhr

Die Installationen, Fotografien, Objekte und Ready-mades des in Berlin lebenden Künstlers Jan Timme evozieren Erinnerungen an Bekanntes und Alltägliches und entziehen sich doch einer gewohnten Ordnung und Betrachtungsweise. Durch verschiedene “Manieren” des Balancierens/Lancierens, Drehens/Verdrehens, Wendens/Entwendens, Belichtens/Verdunkelns, der Schnitte/Schritte ereignen sich kaum merkliche Übertragungen zwischen Kontexten und Bezugsfeldern. Angelehnt an die Formsprache konzeptueller Werkentwürfe der sechziger und siebziger Jahre, sind die Arbeiten von einer reduzierten, oft fragilen und ephemeren Materialität gekennzeichnet, wobei sie sich ganz unterschiedlicher Medien bedienen. Die meist buchstäblich und thematisch mit der Architektur der Ausstellungsräume verbundenen Bestandteile der Installationen, die in ihnen angelegten Bezüge auf kunsttheoretische Fragestellungen, und die Verwendung von Film- und Musikzitaten – all das fordert die Erfassung eben dieser Strukturen im selben Maße heraus, wie es auf die Bedingungen der situativen Wahrnehmung und die Bewegung des Betrachters gerichtet ist.

In diesem Werkzusammenhang steht auch Jan Timmes erste Installation bei Durstewitz Sapre: Durch die auf die Möglichkeit der ästhetischen Erfahrung und der „Beobachtungsbeobachtung“ bedachte Plazierung weniger Elemente in der Galerie werden raum-zeitliche sowie institutionelle Rahmungen der Ausstellungssituation ins Bild gesetzt.

„Beobachtungsbeobachtung“ ist hier durchaus in Anlehnung an den Systemtheoretiker Niklas Luhmann und seine Beschreibung sozialer Operationen wie Kommunikation anhand des Beobachtungsbegriffes zu verstehen. Unter „Beobachtungsbeobachtung“ verstünde man demnach die „Beobachtung zweiter Ordnung“ – das Beobachten eines Beobachters -, das im Falle, dass diese beiden (Beobachter und beobachtendes Beobachtetes) zusammenfielen, in die Selbstreferenz mündete. So zwingt die Beobachtungsbeobachtung als selbstreferentielle Operation auch immer zur Enttarnung von in der Beobachtung erster Ordnung nicht wahrgenommenen blind spots. Allerdings wird zwischen diesen beiden Beobachtungsebenen (erster und zweiter Ordnung) immer eine zeitliche Distanz liegen. Die Wahrnehmung seiner selbst in der eigenen vorherigen Position wird immer erst nachträglich erfolgen können. So wie sich in der vorliegenden Ausstellungssituation die eigene Position erst nachträglich - die Distanz darüber hinaus räumlich durch die Glasscheiben markiert - nachvollziehen bzw. beobachten lässt.

Der kinematographische Teil der Installation verbindet wiederum den Beobachtungsaspekt mit dem diffusen Begriff der ästhetischen Erfahrung und greift zugleich die grundsätzliche Nähe zwischen Film-(vorführung) und Installation auf, welche sich in allererster Weise darin manifestiert, wie beide erfahren werden:

„Die Bewusstseinstätigkeit des Zuschauers kann sich prinzipiell auch im klassischen Erzählkino [und nicht nur im Experimental- und Kunstfilm] so steigern, daß die Filmerfahrung vom traumähnlichen Zustand der Unterhaltung schließlich in eine qualitativ andere, eine ästhetische Erfahrung umschlagen mag. […] Was dadurch, daß der Betrachter der Installation Beziehungen zu dieser beziehungsweise zwischen deren Elementen auch durch seine körperliche Aktivität herstellt, aber in besonderer Weise reflexiv thematisch wird – also dadurch, dass er sich in ihr bewegt und aus verschiedenen Perspektiven schaut –, ist der generell selbstreflexiv-performative Charakter der in unserem Sinne ästhetischen (Film)-Erfahrung.“ (Juliane Rebentisch, Ästhetik der Installation, FfM: Suhrkamp, 2003, 190)