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Mit Joachim Brohm beschließen die Städtische Galerie und die Stiftung Ravensburger Verlag ihr auch international viel beachtetes Fotoprojekt.

Man kennt sie von allen Bildbänden und Hochglanzprospekten: die Schauseiten der historischen Städte mit ihren Türmen und Toren, Brunnen- und Blumenstöcken. Sie sind so vertraut, dass man gemeinhin versucht ist, sie als die einzig wahren Ansichten überhaupt gelten zu lassen. In Ulm das Münster, in Weingarten die Basilika und in Ravensburg der Mehlsack – das sind die vielfach reproduzierten und für gültig erachteten Chiffren dieser Städte. Fest zementiert, unverrückbar, verbindlich. Ein Bild, das den eigenen Bedürfnissen entspricht. Dem Bedürfnis nach Heimat, nach Orientierung, nach Wiedererkennung. Das Anliegen ist berechtigt, doch das Bild ist verkürzt, denn es blendet Ungewolltes, Unschickliches, Unspezifisches aus und reduziert die Wahrnehmung auf bloße Images, losgelöst vom tristen Grau und bunten Leben des Alltags.

Sehgewohnheiten durchbrechen Es gehört zur Grundkonstruktion des Ravensburger Fotoprojektes, dass nicht ein einzelner Fotograf, eine einzelne Fotografin mit der visuellen Dokumentation der Stadt beauftragt wurde, sondern dass es im Sinne eines work in progress zumindest fünf KünstlerInnen sein sollten, die unterschiedliche Visionen vertreten. Zudem mussten sie von außen kommen, weil zum künstlerischen Profil noch die soziale Rolle, die Position der Distanz und der Fremde hinzutreten musste, um jene Spannung und Reibungsfläche zu erzeugen, aus der heraus neue Wahrnehmungen überhaupt erst möglich sind.

Und tatsächlich: die eingeladenen Fotokünstler haben sich auf die Stadt eingelassen und auf Ansichten, Menschen, Situationen aufmerksam gemacht, die dem Blick bisher weitgehend verborgen geblieben waren. Hatte sich Zoltán Jokay, der erste Stipendiat, in seiner Arbeit ausschließlich auf Menschen fokussiert, so warf der Leipziger Stadtbildner Matthias Hoch in der Folge seinen Blick auf den Einbruch der modernen Architektur in den urbanen Raum. Die Foto- und Videokünstlerin Eva Bertram wiederum spürte Situationen auf, in denen das Verschobene menschlicher Alltagsgestaltung ansichtig wurde, während Peter Hendricks öffentliche Plätze zum Gegenstand nahm und in großen Tableaus de- und rekonstruierte.

Die Stadt er-fahren Joachim Brohm hat nun als fünfter Stipendiat Position bezogen, oder richtiger: die feste Position verlassen, um mit dem Vehikel, das wie kein anderes das moderne Leben bestimmt, die Stadt zu umkreisen. Mit verschiedenen Automobilen, offenen und geschlossenen, bereitgestellt von lokalen Händlern, befuhr er als Chauffeur oder Passagier die Straßen in und um Ravensburg. Die Kamera in der Hand und unzählige automotive Szenen im Kopf, suchte er die Begegnung mit der Stadt von der Peripherie der Umgehungsstraße aus.

Brohm versteht ‚fahren’ in des Wortes ursprünglicher Bedeutung: als erfahren und wahrnehmen, als physische und e-motionale Veränderung, auch als Wagnis des sich Einlassens, des Fahren Lassens. Peter Piller hat in dem zur Ausstellung erscheinenden Katalog eine Fülle von Eindrücken und Situationen imaginiert, die dem Automobilisten bei seinem vagen Tun widerfahren: Reh und Dachs, Licht und Tunnel, Fußgänger und Radfahrer, Pannen und Pannenhelfer. Er hat auch die Ideologie des Auto Fahrens in Erinnerung gerufen (und karikiert): die freie Fahrt als die umkreisende Fahrt um ihrer selbst willen, die Beheimatung im Auto, den Stau als Reservat der letzten Kollektive.

Das ganze Fotoprojekt mit Arbeiten aller beteiligten Fotokünstler wird erstmals von 16. Juni bis 10. Juli 2005 bei den Internationalen Fototagen Mannheim/ Ludwigshafen, dem größten Fotofestival in Deutschland, unter dem Titel „Ravensburg in Germany“ präsentiert. Dr. Thomas Knubben, Professor für Kulturmanagement an der PH Ludwigsburg, hat das Ravensburger Foto-Projekt initiert und zusammen mit Claudio Hils kuratiert.

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Joachim Brohm "fahren"