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Eröffnung: 06.03.2008, 19.00

Die Ausstellung widmet sich der letzten Werkphase des jung verstorbenen Malers Jochen Klein (1967 – 1997). Den unmittelbaren Anlass bilden acht zentrale Gemälde, die der Künstler und Lebensgefährte von Jochen Klein, Wolfgang Tillmans, der Pinakothek der Moderne als Schenkung überlässt. Zusammen mit Leihgaben aus Privatbesitz skizzieren diese Bilder den Höhepunkt eines unverwechselbaren Oeuvres und markieren gleichzeitig einen allgemeinen Wendepunkt in der Malerei der 1990er Jahre – die Neupositionierung der figurativen Malerei mit den Erfahrungen der Konzeptkunst. Neben Jochen Klein verfolgten auch andere, zum Teil mit ihm befreundete Künstlerinnen und Künstler ähnliche Wege einer konzeptuellen figurativen Malerei, darunter Peter Doig, Thomas Eggerer, Silke Otto Knapp, Elizabeth Peyton, Amelie von Wulffen.

Am Anfang stand eine klassische Malereiausbildung bei Hans Baschang an der Akademie der bildenden Künste in München. Nach deren Abschluss jedoch wandte sich Jochen Klein zunächst von der Malerei ab und konzeptuellen Projekten zu. Geprägt von einem damals weit verbreiteten Unbehagen gegenüber dem Medium der Malerei wurde Klein zusammen mit Thomas Eggerer Mitglied der New Yorker Konzept-Künstlergruppe Group Material. In diesem Zusammenhang arbeitete er bis zur Auflösung der Gruppe an unterschiedlichen, hauptsächlich sozialgeschichtlich ausgerichteten Ausstellungen und verfasste zahlreiche Texte zum Verhältnis von Ästhetik und Politik.

Nach dieser eminent wichtigen Phase der malerischen Abstinenz beschäftigte sich Jochen Klein nach seiner Übersiedelung nach London im Jahr 1996 wieder mit diesem künstlerischen Medium und arbeitete mit großer Energie bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahre 1997 an einer Malerei, in der sich ein geradezu virtuoser Kolorismus mit dem Skeptizismus und den Erfahrungen seiner konzeptuellen Projekte verbindet.

Zu den ersten Arbeiten der späten Werkphase zählen collagierte Bilder mit Gänsen, Hundewelpen und Meerschweinchen im Gras, miteinander spielend, ohne Verweis. Eine auf den ersten Blick verdächtig harmlose Welt und damit der größte denkbare Gegensatz zu den kühlen Installationen der Konzeptkunst. Ästhetische Erfahrungen des Alltags dienten Jochen Klein als Inspirationsquellen: Fototapeten, Werbeanzeigen aus Illustrierten, Drogeriekalender, Erotikfilme der 1970er Jahre. Er erkannte in diesen Motiven das Vokabular eines kollektiven Bewusstseins, in dessen Klischeehaftigkeit sich gleichzeitig auch Chiffren für individuelle Sehnsüchte spiegeln. Paradoxerweise wird Intimität gerade in der Distanz spürbar und belegt das Interesse und die Fähigkeit des Künstlers, das Verbrauchte neu zu sehen.

Die bekanntesten Bilder dieser wichtigsten und letzten Lebensphase von Jochen Klein zeigen idyllisch wirkende Szenen im landschaftlichen Außenraum: Blumenwiesen, Waldlichtungen, Birkenstämme, Herbstlaub. Vereinzelt erscheinen darin Figuren, teils collagiert, teils gemalt – aber fast immer in Kontrast zu einem fast abstrakt stilisierten Hintergrund. Die Motivik dieser Bilder erinnert bisweilen an jene idyllischen Schäferszenen und inszenierten Landschaften, die in der Malerei des 18. Jahrhunderts beliebt waren. Erst bei eingehender Betrachtung tritt die Ambivalenz dieser Szenarien zutage.

In Jochen Kleins Bildwirklichkeit verbindet sich erlebte Realität mit utopischem Verlangen, vermittelt sich politische Sensibilität mit privater Selbstbehauptung. Herkömmliche, manchmal auch klischeehafte und kitschige Darstellungsformen von Natur, Weiblichkeit oder Kindheit verwandeln sich zu mehrdeutigen Bildkompositionen von großer Raffinesse. Sie lassen eine große Lebensfreude spürbar werden, aber auch das ausgeprägte Bewusstsein für eine verletzliche und vergängliche Körperlichkeit.

Die großzügige Stiftung der acht bedeutenden Gemälde von Jochen Klein durch Wolfgang Tillmans an die Pinakothek der Moderne stellt eine wesentliche Bereicherung dar, und das in mehrfacher Hinsicht: Zum einen führt Jochen Kleins Malerei einen wichtigen Schwerpunkt der Sammlung Moderne Kunst fort, nämlich die figurative Malerei des 20. Jahrhunderts von Kirchner, Dix und Bacon bis Rauch und Doig. Zum anderen ergänzt das Konvolut mit zahlreichen Querverweisen die „München Installation“ von Wolfgang Tillmans, die dank PIN., den Freunden der Pinakothek der Moderne, vor drei Jahren für das Museum erworben werden konnte. Und schließlich stellt Jochen Klein einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die nachfolgende, jüngste Malergeneration dar und somit auch den Anlass für Erwerbungen im Bereich der unmittelbaren Gegenwartskunst.

Kurator: Bernhart Schwenk in Zusammenarbeit mit Wolfgang Tillmans

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Jochen Klein
Kurator: Bernhart Schwenk in Zusammenarbeit mit Wolfgang Tillmans