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Die Galerie Wolfgang Gmyrek zeigt eine Einzelausstellung mit Plastiken und Fotoarbeiten von Johannes Brus. Versinken – Auftauchen, Vergessen – Erinnern, Gegensatzpaare und Polaritäten sind seit den siebziger Jahren charakteristische Themen für Johannes Brus. Zudem kennzeichnen sie auch seine künstlerische Strategie, immer wieder bereits getroffene künstlerische Formulierungen auf zu nehmen und zu hinterfragen. So scheinen die annähernd lebensgroßen Plastiken Reiter mit Adler, Elefantenkopf und Bildhauer auf den ersten Blick wahllos unter dem Ausstellungstitel „versinken“ zusammenzukommen. Bei näherer Beschäftigung mit dem Inventar der Brus’schen Figuren wird man jedoch jedem Motiv vielfach begegnen und mögliche Bezüge und Verbindungen sehen.

Seit den achtziger Jahren tauchen die Bildhauer als suchende, beobachtende, auf Untersuchungen konzentrierte männliche Figuren auf. Die Bildhauer in Lebensgröße sind als Gruppe geplant, wobei auch die Situation als Paar eine für Brus charakteristische Form ist. Nichts scheint die Figuren als Bildhauer auszuweisen, sie sind als am Boden sitzende Einzelfiguren ausgeführt. Während die eine Figur gelassen und konzentriert wirkt, scheint die andere im Begriff sich zu erheben, wie im Aufbruch nach gründlicher Reflexion. Es handelt sich bei beiden um einen spezifischen Typus des Menschen, der durch die Bezeichnung als Bildhauer als (Selbst-)Reflexion über das Kunstschaffen erkennbar ist.

Der Reiter mit Adler (2003) scheint aus großer zeitlicher Ferne wieder aufzutauchen, wie eine plastisch gewordene Erinnerung. Genaue Vorstellungen haben wohl die wenigsten von der historischen Form der Falkenjagd am mittelalterlichen Hof und man kann anhand der Plastik auch keine gewinnen. Es werden Assoziationen, Märchen und Mythen, die bis heute im kollektiven Gedächtnis vorhanden sind, freigesetzt. Der Reiter ergänzt zudem die Bildhauer: Er ist aufgebrochen, auf dem Weg. Dieser Weg, den die mittelalterlichen Dichter „âventiure“ nannten, hat ähnliche Kennzeichen wie die moderne Vorstellung vom künstlerischen Schaffensprozess: Beide befinden sich auf einer Expedition mit unbekanntem Ziel und ungewissem Ausgang.

Den Kontrapunkt zu diesen Arbeiten bildet die dritte große Plastik: Der Elefantenkopf. Etwa lebensgroß liegt der Kopf mit lang ausgestrecktem Rüssel und aufgestellten Ohren auf dem Boden. Der Elefant vervollständigt in der Installation das Dreieck aus Mensch, Kultur und Natur. Verbinden sich mit dem Elefanten seit der Antike Vorstellungen von Kraft und Stärke so liegt der Riese hier besiegt und seiner wertvollen Stoßzähne beraubt wie eine Trophäe vor den Füßen des Betrachters. Angelegt ist der Dualismus von Kultur und Natur, wobei dem Elefantenkopf statt der Stoßzähne zwei Graphitelektroden beigegeben wurden. Unmittelbar verbunden wird in der Plastik also die Naturgewalt mit der elektrischen Kraft, die vom Künstler modellierte Naturform mit der industriell produzierten vorgefundenen Form. Der Elefantenkopf wurde vor vier Jahren im Kontext einer umfangreichen Installation auf Zollverein in Essen ausgestellt, von der ein Modell und die Fotoarbeiten in der aktuellen Galerieausstellung einen sehr guten Eindruck geben. Kennzeichnend ist jedoch auch hier, dass es Brus nicht bei dieser altbekannten Polarität bewenden lässt. Es geht im Grunde um eine Analogie: So wie der Elefant in einstiger Größe nur mehr versinkend und besiegt aufscheint, markieren die unbrauchbaren Kokillen, Schrauben und Elektroden die inzwischen versinkende Industriekultur des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Umgang mit der Historie, dem Vergessen, den Erinnerungen und die Mythenbildung bilden die thematische Klammer der aktuellen Installation von Johannes Brus.

Pressetext

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Johannes Brus "versinken"
Skulpturen und Fotoarbeiten