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Jörg Schlick müsste noch 10.000 Jahre leben, um sein Werk vollenden zu können.

Hintergrund: Das Humangenomprojekt ist beinahe abgeschlossen. Die 3,2 Milliarden Basenpaare, aus denen sich die menschliche DNS, unsere gesamte Erbinformation, zusammensetzt, wurden entschlüsselt.

Jörg Schlick faßte den Beschluß, alle Kombinationsvariationen der vier Bausteine unseres Erbgutes (die Basen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin) durch serielle Anordung von Alltagsobjekten und Tönen nachzuspielen und so in das System Kunst zu transformieren.

Südsteirische Impression, die neue, als Wandinstallation konzipierte Edition des Künstlers, folgt diesem System und wird in der Ausstellung Gratisinformation fürs Fußvolk erstmalig präsentiert werden. Der Künstler will damit ... seine Liebe zur Steirermark ausdrücken... und glaubt, ...daß es gelungen ist, sein geliebtes Heimatland ins rechte Licht zu rücken... (Zitat Schlick)

Jörg Schlick zeigt auch Editionen und Multiples aus dem früheren Werkprozess der Lord-Jim-Loge (Sonne-Busen-Hammer / KEINER HILFT KEINEM), die in Zusammenarbeit mit dem Artelier seit 1986 entstanden sind.

ELISABETH FIEDLER: JÖRG SCHLICK

Provokant inszeniert erscheinen Schlicks Auftritte, kompromißlos und desavouierend sind seine Arbeiten und Stellungnahmen. In seiner Ignoranz allen technischen und materiallen Qualitäten gegenüber und der Verachtung jeder Form von Handschriftlichkeit arbeitet er in jeder ihm zur Verfügung stehenden Form (Musik, Film, Ballett, Theater, Multiple, Holzschnitt, Installation, Text, Collage, Geschichte und Geschichten), da Inhalt und Haltung seine Qualitätskriterien darstellen.

Machtstrukturmuster, die sich im barock-österreichischen Universalismusdenken manifestiert haben, sind auch heute noch existent. Ausgehend von seinem Wissen über Bildpropaganda, durchgeplante Strukturvernetzungen von Politik, Kirche und Staat setzt Schlick zum Gegenschlag an, indem er keine Unantastbarkeit respektiert, bereits besetztes Formenvokabular für seine Arbeit in Anspruch nimmt, und sogar als Richelieu oder als Papst auftritt. Darüberhinaus ist jede seiner Arbeiten vom markanten, vieldeutigen Logo, bestehend aus Sonne, Busen und Hammer, der geheim "Lord Jim Loge" gebrandmarkt.

Trotz der vielen Assoziationen dieses Zeichens zu Bedeutungs- und Bezeichnungs-merkmalen (RAF, Firmenzeichen), wertenden Kennzeichnungen (Gütesiegel), Markierungssymbolen (Werbeaufschrift, Orden), einem nicht mehr wahrgenommenen Ideologieersatz oder Degradierungszeichen (Judenstern, Paßeintragung) und dem vermeintlich sinnstiftenden Charakter bleibt das Logo inhaltleer, erhält aber als ideologiefreies Zeichen durch seine Verbreitung dennoch Bedeutung. Damit steht es einerseits im Gegensatz zum "ready-made", entmystifiziert andererseits jedes Erkennungssymbol und unterläuft damit gesetzte Normen.

Durch Schlicks Positionierung von Logo und Leitsatz in jeder seinen Arbeiten, veröffentlicht er das Geheimnis der Bundesmitglieder, die sich aus Abenteurern und Künstlern hierarchie- und statutenlos zusammensetzen und jeweils als "Einer von uns" erkannt werden, kein Geheimnis zu haben, also der Indiskretion, verdeutlicht in deren Leitspruch "KEINER HILFT KEINEM", und entlarvt damit politische, wirtschaftliche, religiöse und freundschaftliche Zusammenschlüsse als Machtbereicherungsstätten, deren Hülsen er aber beibehält und neu auflädt, um damit Institutionen ebenso wie geltende Wertvorstellungen und Kunstbegriffe in Frage zu stellen.

In seiner Veräußerung von Logo und Satz, die er vor seine Individualität stellt, verbirgt Schlick sich gleichzeitig hinter diesem Paradoxon; seine Persönlichkeit bleibt ein verdeckter, geheimer Faktor, denn der austauschbare Mensch muß funktionieren.

Mit dieser subversiven und anarchischen Haltung stellt der Moralist Schlick dieselben Forderungen, wie machtvolle Instanzen und konfrontiert den Betrachter damit.

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Jörg Schlick
Gratisinformation fürs Fußvolk