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Josef Albers - Biografischer Text

„Wenn ich male sehe und denke ich zunächst – Farbe

Und zumeist Farbe als Bewegung

Nicht als Begleitung von Form, die seitwärts bewegt, nur seitwärts verbleibt

Sondern als Farbe in dauernder innerer Bewegung

Nicht nur in Interaktion und Interdependenz mit Nachbarfarben verbunden wie unverbunden

Sondern in Aggression – zum wie vom Beschauer in direktem frontalen Uns-Anschauen

Und näher betrachtet, als ein Atmen und Pulsieren – in der Farbe“ Josef Albers

Nach seiner akademischen Ausbildung in Berlin, Essen und München beginnt Josef Albers, 1888 in Bottrop (Ruhrgebiet) geboren, im Jahr 1920 sein Studium am Bauhaus in Weimar. Bereits 1923 wird er dort mit der Leitung der Werkstatt für Glasmalerei beauftragt – der Beginn einer erfolgreichen Karriere als Kunstpädagoge.

Als das Bauhaus 1933 durch die Nationalsozialisten geschlossen wird, erhält er einen Ruf an das Black Mountain College in Ashville, North Carolina, und siedelt in die USA über. Seine Tätigkeit als Kunstpädagoge endet mit seiner Emeritierung als Direktor der Kunstschule des Institute of Fine Arts der Universität Yale im Jahr 1958. Zu seinen bedeutendsten Schülern zählen John Cage, Robert Rauschenberg, Donald Judd, Merce Cunningham, Eva Hesse und Richard Serra.

Mit der Übersiedlung in die Vereinigten Staaten beginnt eine neue Periode im Schaffen des Künstlers. Albers experimentiert mit linearen Formen, die die Sicherheit geometrischer Ordnungen durchbrechen, wobei er nun auch die Farbe in seine Kompositionen mit einbezieht. Dieser "geometrische Surrealismus" (Werner Spies) fordert die sinnliche Wahrnehmung des Betrachters heraus, der als Individuum das Kunstwerk miterleben und immer wieder neu erschaffen soll. Dazu zählt insbesondere die Betonung der Farbe in ihrer Eigensprachlichkeit: Das Agieren der Farbe tritt an die Stelle eines traditionellen Kompositionsverständnisses, das geometrische Elemente in ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zueinander setzt. Nun kommt die Bildfläche in den Blick, strukturiert durch wenige überschaubare Elemente.

Albers experimentierte viel mit der Wirkung von Farben, Formen, Linien und Flächen aufeinander, mit der Subjektivität der optischen Wahrnehmung: In diesen Zusammenhang gehört auch seine berühmteste Serie "Homage to the Square", deren Bilder immer gleich aus drei oder vier ineinander geschachtelten Quadraten verschiedener Farben bestehen. Es geht um die Interaktion der Farben, die durch bloße Gegenüberstellungen ihre Wirkung unendlich verändern können. "Homage to the Square" sind die tendenziell unendliche Variation eines Themas, das durch das Spiel der Farbe immer neue Perspektiven offenbart. Die Farbe folgt ihrer eigenen Grammatik.

Als Lehrer wie als Künstler ist Albers wegweisend für eine ganze Generation amerikanischer Künstler. Op-Art, kinetische Kunst, Colourfield Painting, Neue Abstraktion und Minimal Art sind von seinem Schaffen beeinflusst. Albers, der mit der Ausstellung "The Responsive Eye" im Museum of Modern Art, New York auch als Künstler international bekannt wird, erhält zahlreiche Ehrungen. Insgesamt vierzehn Mal wird ihm die Ehrendoktorwürde verliehen, 1968 erhält er das Große Verdienstkreuz des Ordens "Pour le Mérite".

Josef Albers über seine Quadrat-Bilder; zitiert in der Albers-Monographie von Eugen Gomringer, Josef Keller Verlag 1968

«In horizontaler Gliederung ist das kleinste Quadrat genau in der Mitte und mißt 4 X 4 Einheiten. Es folgt seitwärts nach links und nach rechts je eine weitere Einheit für jedes der drei größeren Quadrate. In vertikaler Teilung folgen unterhalb des Mittenquadrates drei halbe Einheiten, oberhalb drei Anderthalbeinheiten. So sind die linke und die rechte Seite, oben und unten in axialer Ausdehnung ausbalanciert. Die Verlagerung nach unten bedeutet einmal ein zusätzliches Gewicht, dann aber auch erweiterte Bewegung. Diese halbkonzentrische Konfiguration umgeht eine vollständige vierseitige Symmetrie und damit eine vollkommen statische Fixierung. Wenn man die Diagonalen des Schemas nach innen verlängert, gelangt man zu einem allen vier Quadraten gemeinsamen Fluchtpunkt anstelle eines Zentrums. Von dieser Mitte aus wird die horizontale Achse flach, wie gerade, gelesen. Die vertikale Achse jedoch mit kleinen und größeren Teilungen nach unten bzw. nach oben hat verschiedene Lesetempos und wird leicht gebrochen, doch nicht unterbrochen gelesen. Diese verschiedenartige Unterteilung der Achsen hebt die Quadrate aus der Fläche ins Räumliche. Dadurch werden die zuerst flach aussehenden Unterteilungen zu Stufen. Obschon diese Stufen sich innerhalb einer Richtung mit gleicher Tiefe wiederholen, erscheinen sie bald von verschiedener Höhe. Mit solchem Wechsel von Deutung bereitet der lineare Unterbau die plastische Aktion der Farbe vor. Obschon technisch die Farbe ebenmäßig flach, genau von Kontur zu Kontur reichend, eingefügt ist, erzeugt sie Tiefenwirkung. Denn in (oder auf) dem unterliegenden Raster ordnen sich die Farben: Durch Affinität und Kontrast verbinden und trennen sie sich – in bezug auf Ton wie auf Licht – in Gruppen mannigfacher Art. Betonung (Dominanz) der Grenzen beeinflußt die Richtung, in der wie die Farben lesen; konzentrisch oder exzentrisch, aus- oder einwärts sowie hin und her. Wiewohl alle Farben sich nur in den begrenzenden Konturen berühren, obschon keine Farbe eine andere überdeckt oder überschneidet – also physisch nur seitwärts, nebenan, auf derselben Ebene existiert, sehen wir die Farben in der Wirkung vor- und hintereinander, über- und untereinander, eine oder mehrere Farben ganz oder teilweise deckend. Sie erscheinen durchsichtig oder durchscheinend – nach oben oder unten durchdringend. Eine weitere Überraschung ist, daß eine physisch ebenmäßige Dichte von Farbe oder Licht zu- oder abnimmt zwischen zwei benachbarten Konturen, d. h. innerhalb eines homogenen Tones. So präsentieren die beabsichtigte Interaktion der Farben wieder und wieder, erneut oder anders, dreidimensionale Wirkungen. Und doch kann die tatsächliche Zweidimensionalität nie übersehen werden. Neben der erstrebten Interaktion der Farben (gegenseitiger Abwandlung oder Intensivierung) besteht ein weiteres, davon unabhängiges Ziel. Es wurde versucht, jeder Farbe trotz ihrer Kooperation mit anderen soweit als möglich das eigene ‹Gesicht› zu erhalten – ähnlich wie es in pompeianischer Farborganisationen erscheint. Wieweit das letztere gelungen ist, bleibt späterem Urteil überlassen.»

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Josef Albers - "Homage to the Square"
u.a. mit dem kompletten Portfolio der Farbsiebdrucke aus dem Jahr 1970