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Luft anhalten... Weiteratmen Dazwischen, also dort wo die Pünktchen stehen, wird geröntgt. Das Resultat zeigt dann einen Moment, gebannt auf Folie. Wo die Strahlen das Objekt durchscheinen, bleibt Schwärze. Blickte man mit X-Ray-Eyes also lediglich in tiefe Dunkelheit?

In ihren photographischen Arbeiten bearbeitet Julia Pfeiffer diesen Prozess in dem sie Objekte in einem dunklen Raum mittels einer kleinen mobilen Lichtquelle beleuchtet. Die Spuren des Lichts, und damit die Bewegung der Künstlerin im Raumensemble, werden sichtbar. Eine arrangierte Aktion. Das Resultat auf dem belichteten Material ist nicht gänzlich vorauszusehen, die Kontrolle über den Raum entgleitet ein wenig in den Spuren des Lichts, wenngleich die Sorgfältigkeit des Arrangements und der Aktion an die Präzision von Francesca Woodman erinnern kann. Präzise verbleiben die Gesten inszenierten Lebens.

Es könnte geisterhaft wirken, gleich einer Séance oder aber wie eine verführerische Einladung, all dem nachzugehen, sich zu involvieren. Spätestens wenn man selber einen derart inszenierten Raum betritt, fallen die Effekte übereinander her. Was wie zufällig angeordnet scheint, ist nun noch deutlicher Arrangement und damit potentiell voller Bedeutungen. Keinesfalls bedeutungsschwer, eher wie der Blick auf eine fremde Kultur, vielleicht eine Privatkultur aus gefundenen und nachgestellten Elementen. Man entkommt schlichtweg nicht der Semantik des Wohnraums und auf dieser Weise werden die stilisierten, öffentlichen Werke wieder privat.

Was wäre dort zu sehen? - Etwa die Figur eines kleinen Hot-Dog-Männchens, welches sich selbst mit Sauce garniert. Oder zwei Tierköpfe, Nachbildungen jener chinesischen Bronzefiguren aus dem Nachlass Yves Saint Laurents, die bei ihrer Versteigerung für diplomatische Misstöne sorgten. Das Diebesgut aus dem Zweiten Opiumkrieg von 1860, erscheint als Replikat aus unbehandelten Ton wie gerade geschaffen, während andere, lackierte und bemalte Arbeiten Momente einfrieren: Ein auslaufendes Honigglas oder ein bis auf das Kerngehäuse aufgegessener Apfel, daneben eine tropfende Kerze in einer Flasche, Pfeifen, eine zerknüllte Cola-Dose, alles aus gebranntem Material, manches auf einem Sockel angeordnet, der mit einem Trompe-l‘oeil Läufer dekoriert wurde. Es ist dieses ungreifbare Zwischenstadium aus repräsentiertem Ding und symbolischer oder allegorischer Bedeutung barocker Stilleben: der Verfall und das staunende Verharren.

Nicht wirklich zu wissen, wie und auf welche Weise diese Objekte besetzt sind, verstärkt ihre Faszination. Ist man in einem Raum voller Übergangsobjekte? - Also umgeben von Dingen des Imaginären, deren Mehrwert gerade nicht in ihrem Gebrauch liegt. Der Eindruck fremdes Territorium zu betreten, es unanständig zu betrachten, um sich noch unangemessneren Reim darauf zu machen, begleitet den Blick.

Blick und Reim wissen nur vom sichtbaren Moment. Das Material ist aber Zeuge eines längst begonnenen Prozess der Selbstenteignung. Jedes in Ton gestaltete Objekt verändert beim Aushärten Form und Struktur, beim Härten beginnt sein Eigenleben, steuerbar aber so wenig beherrschbar wie das Licht. Übergänge transzendieren die Idee des Privaten und überall in Julia Pfeiffers Arbeit bemächtigen sich die bewusst ausgelösten Prozesse der Inszenierung. Ordnung zerfällt und bildet neue Strukturen. Aufräumen und Umräumen in der Dunkelheit, während die Luft angehalten wird.

Oliver Tepel