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Mit «Things to Say» zeigt die Kunst Halle neben der Ausstellung von Mariana Castillo Deball eine grosszügige Präsentation des Duos Jürg Lehni & Alex Rich, das sich auf spielerische Weise mit der Entwicklung von Drucktechnologien, den Schnittstellen zwischen Maschine und Nutzer sowie der Vermittlung von Information beschäftigt. Sie thematisieren das unerschlossene Potential alltäglicher Technologien und deren Fähigkeit, von Designern und Ingenieuren nicht vorgesehene Funktionen zu erfüllen. Die Ausstellung ist eine Weiterentwicklung ihres 2008 am Institute of Contemporary Arts in London realisierten Projekts A Recent History of Writing.

In zwei Räumen der Kunst Halle präsentieren Lehni & Rich zeichnende, sprayende und stanzende Maschinen, die sie als Kommunikations- und Gestaltungswerkzeuge verwenden und die teilweise auch von den Besuchern benutzt werden können. Dabei sind nicht nur die von den Geräten produzierten Kunstwerke Ausstellungsobjekte, sondern auch die Apparate selbst. Wichtig war den Künstlern bei der Vorbereitung des Projekts das Arbeiten vor Ort. So verzichteten sie weitgehend auf Transporte und führten die Beschaffung der Maschinen sowie die Produktion der Zeichnungen und Plakate wie auch der Möbel möglichst lokal durch.

In die Plakate an den Wänden des zweiten Raums der Kunst Halle hat Empty Words (2008/9) Titel von Liedern gestanzt, die so eine Art persönlichen Soundtrack der Künstler bilden. Der Besucher hat die Möglichkeit, selbst Plakate mit eigenen Worten herzustellen und diese mit nach Hause zu nehmen. Der Wunsch der Künstler ist, dass die Titel der Lieder als Inspiration, als Ausgangspunkt für Assoziationen dienen und Ideen für die selbsterdachten Plakate liefern. Einerseits sind Empty Words wie auch News von einer gewissen Offenheit geprägt, indem man selbst gestalterisch tätig sein kann; andererseits besteht aber auch eine klare Beschränkung: durch den Umfang der Zeichen und eine zumindest suggerierte inhaltliche Richtungsvorgabe bei Empty Words bzw. durch drei bereits vorgegebene Schlagzeilen bei News.

Mit Wood Work (2009) entsteht im dritten Ausstellungsraum eine kleine, besondere Druckerei: eine Spezialfräse stanzt Löcher in eine Holzplatte, die anschliessend als Druckvorlage benutzt werden kann. Die von Lehni und Rich für die Kunst Halle hergestellten farbigen Plakate zeigen Worte im Cockney Rhyming Slang, der ursprünglich vermutlich eine Geheimsprache von Strassenverkäufern oder eine Gaunersprache war, und heutzutage als Wortspielerei im englischen Sprachraum verbreitet ist. Dabei wird das Wort, das man ausdrücken möchte, durch einen mehrteiligen Ausdruck ersetzt, welcher sich auf dieses reimt. Häufig wird nur der erste Teil des Reimbegriffs verwendet, was das Verständnis für nicht Eingeweihte verunmöglicht. (Erläuterungen der Bedeutungen der von Wood Work auf die Plakate gedruckten Worte im Cockney Rhyming Slang befinden sich im Ausstellungsraum.) Während der Schülerworkshops können die Kinder und Jugendlichen selbst Plakate gestalten und diese mitnehmen. Auch bei dieser Arbeit sollen die Reime Anstoss für eigene Wortspiele sein und Gedanken über den Umgang mit Sprache anregen.

Hektor wurde 2002 von Lehni in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Uli Franke entwickelt. Er sprayt, die Hand des Künstlers imitierend, in wackeliger Manier Graffiti. Sein Motiv für die Kunst Halle ist eine weltweit bekannte Figur: in Amerika ist sie unter dem Namen „Kilroy“ bekannt und wurde bereits während des zweiten Weltkriegs verwendet, um Präsenz zu markieren („Kilroy was here“). In England nennt man die Figur „Chad“. Sie trat in Zeiten der Rationierung in Folge des Kriegs ebenfalls in Verbindung mit Text auf („What, no bread?“). Lehni & Rich lassen Hektor lediglich die Zeichnung sprayen und verzichten bewusst auf eine textliche Ebene. Sie verweisen damit nicht nur auf etwas Fehlendes, sondern schaffen ausserdem einen Kontrast zu den anderen Maschinen, die ausschliesslich mit Text und Sprache arbeiten.

Der Besucher ist auf verschiedene Weisen an der Ausstellung beteiligt: während er bei News und Empty Words mit gewissen Einschränkungen selbst gestalten und produzieren kann, nimmt er bei Hektor wie auch bei Viktor eine betrachtende Rolle ein: dieser zeichnet mit Kreide eine Serie von Dialogen auf eine schwarze Wand des Ausstellungsraums – eine Referenz an Corbusier, der in seinem Atelier eine Wandtafel für die Entwicklung seiner Ideen verwendete – und rundet so das Projekt auf eine spektakuläre Art und Weise ab. Mit dem Werk News (2008/9) laden Lehni & Rich die Besucher ein, aktiv zu sein und mit den Handdruckern täglich wechselnde Schlagzeilen auf Postkarten zu drucken, welche sie dann in die Welt schicken können.

Viktor und seine Geschwister sind Maschinen, aber gleichzeitig auch Aussagen über das heutige Desktop-Publishing-Design mit seinen Standards und Softwares, die einen grossen Einfluss auf die Ästhetik unseres Alltags haben. Sie können auch als Aufruf gelesen werden, die Einschränkungen und vorgegebenen Funktionsabläufe und Technologien nicht einfach zu akzeptieren, sondern sich die eigenen Werkzeuge wieder anzueignen und neue zu erfinden.

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Jürg Lehni & Alex Rich
THINGS TO SAY