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Menschsein ist schlecht für die Umwelt.

Zwei Gorillas, ein Lama, ein in Stücke zerborstenes Treppengeländer, eine Wartebank vom S-Bahnhof, ein Spülkasten, das punktförmige Licht eines Strahlers, knittrige Umzugskartons und eine Träne – das ist die Liste der Exponate in Jürgen Dreschers aktueller Ausstellung in der Galerie Isabella Czarnowska. Zusammengefasst unter dem Ausstellungstitel „party“.

Der Abguss von Objekten ist zu einem wichtigen Verfahren in Jürgen Dreschers künstlerischer Arbeit geworden. Oft sind es alltägliche Gegenstände – wie etwa das hölzerne Treppengeländer oder der Umzugskarton –, die Drescher abgießt. Durch die Reproduktion drückt sich seine Wertschätzung der unbedeutend scheinenden Gegenstände aus, deren materielle oder skulpturale Qualitäten überhaupt erst durch diesen Transfer sichtbar werden. Bei den Treppenantrittpfosten, die als Fragmente auf Architektur bzw. Interieur verweisen, das offenbar brachial zerstört worden ist, sind an vielen Stellen die Angusskanäle sichtbar, durch die das Aluminium, in die vom Original abgenommene Negativform gegossen wurde.

In ihrem Beitrag in Jürgen Dreschers jüngst erschienenen Werkkatalog schreibt Barbara Buchmaier: „Wenn Drescher bei seinen Plastiken die Spuren schnellen Arbeitens bestehen lässt, konfrontiert er damit den Rezipienten ganz bewusst mit dem Herstellungsprozess der Objekte. So behalten seine Skulpturen einen unfertigen, auf den ersten Blick „nicht-perfekten“ Charakter und sind so auch weniger einfach einzuschätzen und zu bewerten. „Sind im Misslingen Fragen offen gehalten?“ lautet eine Überlegung des Künstlers, die hier plötzlich im Raum steht. Durch das Abgießen in Metall und die damit einhergehende Verfremdung erweist Drescher seinen windigen, abgenutzten Objekten, die er mit all ihren Schwächen und Gebrauchsspuren vor dem Verschwinden bewahrt, zugleich eine Art „Hommage“.“ 1

Während die „Pfosten“ und und der „Karton“ in der aktuellen Ausstellung Abgüsse von vorgefundenen Gegenständen sind, sind die Tiere, die die Galerie bevölkern, zunächst einmal nach Fotos und Skizzen modelliert worden. Während Jürgen Drescher auf die von Menschen hergestellten Dinge ganz direkt zugegriffen und diese als Vorlage für den Abguss benutzt hat, wollte er sich den Tieren auf andere Weise nähern. Das Modellieren ihrer Körper, das zwar relativ naturgetreu ist, aber eben doch Differenzen zu einem wirklichen Tier deutlich werden lässt, kann – und das soll keineswegs sentimental klingen – ein Weg sein, sich den Tieren als Mitwesen zu nähern und unser Verhältnis zu ihnen durch den Prozess des Nachempfindens ihrer Körper zu thematisieren.

Und wer mag sich verlorener fühlen? Die Gorillas in der Ecke des Raumes, die vor den wie Mikadostäben hingeworfenen Treppenpfosten hocken, oder der Mensch, der sich auf der überdimensional wirkenden glatten Wartebank niederlässt, im Rücken an der Wand einen verdreckten Spülkasten und vor sich einen hellen Lichtfleck wie der Kegel eines Bühnenscheinwerfers?

Wie richtet man sich in einer Situation der Unbehaustheit ein? Sollten wir uns in die Ecke, die die Umzugskartons bilden, stellen und uns für unser Existieren schämen? Oder ist es nicht gerade angesichts eines globalen Gefühls von Verlorenheit und Verlust (der Artenvielfalt und ökonomischer wie sozialer Sicherheiten) Zeit für eine veritable Party?

1 Buchmaier, Barbara: Aspekte einer Künstlerexistenz, in: Jürgen Drescher. Arbeiten bis heute, hrsg. v. Galerie Isabella Czarnowska (vorm. Kacprzak) / Mai36, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König, 2007, S. 71-77, hier S. 73.

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Jürgen Drescher
Party