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Jürgen Köhler / Friedemann Grieshaber Zeichnungen / Skulpturen Eröffnung: Montag, 11. April 2011, 19 Uhr Es spricht Matthias Flügge Dauer der Ausstellung: 12. April 2011 – 24. Juni 2011 Öffnungszeiten: Di–Fr 14–19 Uhr

Die neue Ausstellung der Guardini Galerie zeigt Zeichnungen von Jürgen Köhler (geb. 1954) und Plastiken von Friedemann Grieshaber (geb. 1968). Beide leben in Berlin und haben in den vergangenen Jahren ein Werk entwickelt, das vielfach Aufmerksamkeit gefunden hat. Köhler, der Zeichner, und Grieshaber, der Bildhauer, sind auf eine heute fast schon anachronistisch anmutende Weise ihren Metiers treu geblieben. Was sie eint, ist ein Interesse an architektonischen Gestaltungsweisen, Räumen, Perspektivwechseln und eine reflektierte Materialgerechtigkeit. In Köhlers Zeichnungen stoßen geometrische Formen auf organoide, Figuren verlieren sich in Räumen, in denen merkwürdige Apparate und molluskenhafte Zeichen ihr Wesen treiben. Wie Überreste von etwas Zerborstenem ziehen sie schwerelos durch den Raum. Wenn Köhler zeichnet, dann ist nicht nur die Kunstgeschichte im Atelier anwesend, die frühen Italiener oder die japanischen Holzschnitt-Meister, sondern auch der Ballast der Bilder aus der Alltagswelt. Dem zeitgenössischen Künstlertypus des Alleswissers steht Jürgen Köhler denkbar fern. Er stellt sich an einen Ort größter Offenheit, als wäre alles neu und unerkannt. Es ist aber das Gegenteil von Naivität in seiner perfekt unperfekten Darstellungsweise, die auf das kalte Kalkül der alltäglich bunten Bilder reagiert, indem sie die Linie, den Umriß sucht, die Spuren der Suche stehen lässt und als Teil einer artifiziellen Inszenierung versteht. Was den Alten die Linien der Stigmatisierung oder der Emanation des Heiligen Geistes waren – geistige wie kompositorische Ordnungslinien – bleibt in Köhlers Anverwandlung oft ohne ikonographische Bedeutung: als rein kristallines Gerüst von eigener Autonomie. Die Magie, die von Jürgen Köhlers Zeichnungen oft ausgeht, hat ihren Grund in einer vollkommenen Stillgestelltheit der Zeit und des Raumes, in den ikonischen Ordnungen, in denen Detail und Großform, Figur und Zeichen, ‚durchgearbeitete’ Passagen und Abbreviaturen sich unvermittelt gegenüberstehen. Selbst die kleinen Blätter, die Jürgen Köhler fortwährend auf Karten oder in sein Notizbuch zeichnet, muten an wie Studien zu architektonisch gesehenen Situationen. Friedemann Grieshaber ist ein Künstler, der die Intelligenz des Konzeptuellen mit elementar sinnlicher Erfahrung in Einklang zu bringen weiß. Seine Themen sind die Verschwisterungen von Figur und Architektur, die Behausung der einen in der anderen, der Raum als Gegebenes und Gestaltetes, manchmal auch die Landschaft und darin die Stadt. Seine Landschaften nennt er „Kulturlandschaften“ und verweist damit auf die Tatsache, dass das, was wir Natur nennen, nichts objektiv Vorhandenes ist, sondern vor allem ein Konstrukt unserer kulturell bestimmten Wahrnehmung. Dieser Gedanke ist auch in Skulpturen aus gegossenem Beton lebendig. Innen und Außen, Durchbrüche, vertrackt irritierende Perspektiven, kunsthistorisch gesicherte Topoi schaffen die räumlichen Bedingungen, unter denen Figur gleichsam als Archetyp des Menschen und der Architektur als dessen erster Kulturleistung ineinander aufgehen. Skulptur ist Konstruktion, Bau, Materialität in einem geistigen Zusammenspiel. Das Material bestimmt die Form. Die Vorstellung, das Material könne gleichsam ideell „überwunden“ werden, ist diesem Künstler fremd. Das Schwere bleibt schwer, das Leichte leicht. Grieshabers architektonisch gebaute Stelen und Reliefs strahlen die Würde der konstruktiven Moderne, den Anschein von Dauer aus und wirken doch zerbrechlich, weil das Figurative immer das Moment der Vergänglichkeit in sich trägt. Und sie haben eine philosophische Dimension: Haus und Gehäuse, darin der Mensch. Gebautsein und organisches Wachsen, die Ambivalenz von Innen und Außen verweisen auf die Frage, wie wir uns noch einrichten können in der Kultur, die wir uns geschaffen haben. Grieshabers scheinbarer Minimalismus bedarf dafür nur weniger, sich wiederholender, immer wieder neu gedeuteter Zeichen.

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Jürgen Köhler / Friedemann Grieshaber
Zeichnungen / Skulpturen
Kuratoren: Matthias Flügge, Frizzi Krella