press release only in german

Pressetext

Karl Friedrich Schinkel (geb. 13. März 1781 gest. 9. Oktober 1841) brach am 1. Mai 1803 in Berlin zusammen mit dem gleichaltrigen Freund und Kollegen Johann Gottfried Steinmeyer zu seiner ersten italienischen Reise auf. Der Weg führte ihn über Dresden, Prag und Wien zunächst nach Triest.

Abweichend von den üblichen Künstlerreiserouten unternahm er von Triest aus Abstecher in die slowenischen Höhlengebiete und einen gut vierwöchigen Ausflug in die Küstenregion Istriens. Weiter ging es über die Adria nach Venedig, von dort über Padua, Bologna, Florenz und Siena nach Rom, wo Schinkel Anfang September 1803 eintraf. Noch im Spätherbst des Jahres schloss sich eine mehrwöchige Exkursion in die appeninischen Städtchen Terni, Rieti und Cittaducale sowie auf die Höhen des Terminillo an. Den Winter verbrachte der junge Architekt in engem Kontakt mit der deutschen Künstler- und Gelehrtenkolonie – darunter Wilhelm von Humboldt – in der Ewigen Stadt.

Ende Februar oder Anfang März 1804 machte er sich auf in den Süden. Über Neapel mit Ausflügen auf den Vesuv und die Inseln Ischia und Capri erreichte Schinkel am 10. Mai Messina, von wo er den Ätna bestieg und Sizilien bereiste (Catania – Syrakus – Agrigent – Selinunt – Trapano – Monreale – Palermo). Die Rückreise begann am 1. Juli in Neapel und führte Schinkel über Rom nach Florenz, Pisa, Livorno, Genua, Mailand, Turin und von dort über Lyon nach Paris, wo er Ende November 1804 eintraf. Am 11. Januar 1805 verließ der Künstler die französische Hauptstadt, um über Straßburg, Frankfurt und Weimar Mitte Februar 1805 nach Berlin zurückzukehren.

Die Aquarelle, Gouachen und Zeichnungen der ersten Italienischen Reise Karl Friedrich Schinkels faszinieren durch den überraschend facettenreichen Blick, mit dem der 22-jährige Preuße das Land der Künstlersehnsucht durchstreifte. Sie regen darüber hinaus zur Frage an, mit welchen Bildern und welchem Verständnis Schinkel die Eindrücke von bedeutenden europäischen Bauten, Orten und Kulturlandschaften in eigene Geschichtsbilder transformierte, die sein gesamtes späteres Schaffen prägten. Das Wissen um die Antriebskräfte des Frühen Historismus könnte auch noch die aktuelle Rekonstruktionsdebatte befruchten.

In den spätgotischen Kathedralen von Prag und Wien begegnete dem jungen Architekten zum ersten Mal kolossale, zudem reich ausgestaltete gotische Architektur. Die Zeichnung von St. Stephan in Wien beweist dabei nicht nur die Einempfindung Schinkels in historische Stile. Die Ausblendung der barocken Ausstattung bei gleichzeitiger Erfindung eines Prozessionszuges der Dürerzeit erweckt auch die Vorstellung einer mit dem Bau identischen Lebenswelt. Ähnlich bereinigt der Zeichner viele seiner vorgeblich realen Ansichten von Landschaften, Orten und Gebäuden. Er konstruiert in seinen Bildern Geschichte und soziale Identität. So sieht Schinkel in bizarren Höhlen und zerklüfteten Steinbrüchen die Urformen von menschlichen Behausungen, die malerischen Landhäuser Siziliens evozieren ein „patriarchalisches“ Zeitalter und eine Bevölkerung, „die weder Richter noch Soldaten nöthig [hat], weil alles in der größten Einigkeit lebt.“ Der räumliche Kontext fungiert bei Schinkel als erläuternder Rahmen eines architektonischen Hauptmotivs oder einer von Architektur geprägten Kulturlandschaft mit ihren regionalspezifischen Besonderheiten wie Klima, verfügbare Baumaterialien, die vorherrschende Wirtschaftsweise und technische Fähigkeiten. In der Erfahrung Italiens spiegeln sich die Ideale des eigenen Schaffens.

Die Ausstellung ist eingebunden in das vom Berliner Kupferstichkabinett betriebene Forschungsprojekt „Das Erbe Schinkels“. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zielt es auf die konser- vatorische Sicherung und die Erforschung von insgesamt über 5.500 Werken aus dem einstigen Schinkel-Museum. Den Abschluss bilden ein wissen- schaftlicher Online-Katalog und eine große Ausstellung im Herbst 2012.

only in german

Karl Friedrich Schinkel
Die Italienische Reise 1803-1805
Die Reiseroute