press release only in german

Dem abendländischen Heroismus der Tat, den Heldenerzählungen und dem Mythos vom gottähnlichen Einzelkämpfer stellen die Chinesen die Realität der Transformation entgegen. Der Weise handelt nicht ... die Transformation kann nicht isoliert werden, sie hebt sich nicht ab und wird deshalb nicht gesehen. Gerade diese Unsichtbarkeit ist ein Teil der chinesischen Strategie des laut- und gewaltlosen Verwandlungsprozesses mit dem Ziel, zu siegen. Die Wirkung ist indirekt und diskret. Der grosse General erzielt nur leichte Siege... dies sind ein paar Gedanken, die ich dem Buch François Julliens „Der Umweg über China“ entnommen habe.

Die chinesischen ImmigrantInnen in Europa bieten mir die Gelegenheit, einen anderen Umweg einzuschlagen: den Umweg über Paolo Uccello. Das Schlachtenbild „DIE SCHLACHT VON SAN ROMANO“ wurde in einer Zeit beauftragt und gemalt (1. Hälfte des 15. Jahrhunderts), als sich Europa – allen voran Norditalien - als eine Hegemonialmacht herauszukristallisieren begann, die in der Lage war, arabische, ägyptische, vorderasiatische und chinesische Einflüsse aufzusaugen, zu verarbeiten und als originäre, geniale Weltkulturschöpfung zu naturalisieren und zu verinnerlichen. Viele unserer heutigen Konflikte hängen mit einem Denken zusammen, das den in ihm eingeschlossenen Weltbeherrschungsgestus gar nicht mehr erkennt, sondern für selbstverständlich hält. Die Wiege dieses Denksystems lag im Florenz des 15. Jahrhunderts mit seiner kriegerischen Expansionspolitik, der Mediceischen Gründung eines internationalen Bankenkonsortiums, mit seinem geschickten Abhängigkeitsnetz zwischen Kirche, Staat und internationaler Geldpolitik in Mediceischer Hand, seinen Seemachtsambitionen und nicht zuletzt seiner Genie- und Kulturpolitik.

Beim Durchwandern der sich ausbreitenden chinesischen Communities in italienischen Städten fällt mir eine andere Form der Transformation auf: meine eigenen, lange eingeübten Blickcodes brechen zusammen und meine erlesenen Kulturorte geraten ins Wanken, so dass ich das Gefühl habe, die Welt würde sich umkehren. Der Prozess der Umkehrung beginnt bei den interkontinentalen Containerschiffen im Hafen von Neapel, der Übernahme ganzer Textilindustrieanlagen in Prato durch chinesische ImmigrantInnen und zieht sich durch Stadtteile von Rom, Mailand, Paris und zurück - rund um den Vesuv. Wechselweise werden die chinesische Regierung oder die MigrantInnen der De-Industrialisierung, der Manipulation der Wechselkurse, der Schwächung des Westens, des Diebstahls von Technologien, der Missachtung von Urheberrechten, dem Raub fremden Wohlstands beschuldigt.

In meiner Ausstellung in der Villa Romana, Florenz zeige ich Installationen, die sich schwerpunktmäßig mit den „Chinatowns“ in Florenz, Rom, Mailand und Neapel unter dem Blickwinkel abendländischer Herrschaftskultur beschäftigen. Sie werden begleitet von der zeichnerischen Umsetzung der drei Gemälde von Paolo Uccello. In mehreren Kurzfilmen, in denen ich Bilderreihen aus den „Chinatowns“ von Prato, Neapel, Mailand und Rom zeige, verwende ich Lieder aus Schuberts „Winterreise“. Ich hatte das Glück, einen der besten Mundharmonikaspieler zu finden, der die Singstimmen für chromatische Mundharmonika bearbeitete und mir dadurch genau das lieferte, wonach ich gesucht habe: die ironisch-melancholische Brechung der Sehnsucht nach dem Wunderbaren und der Harmonie in den Schluchten der schnöden Ökonomieen des 21. Jahrhunderts.

only in german

Katharina Karrenberg
CINA_CINE_CRIME
PAOLO UCCELLO: THE BATTLE OF SAN ROMANO (Included)