Brandenburgischer Kunstverein Potsdam

BKV - Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel Potsdam
14467 Potsdam

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Katrin Locks und Tim Brother tons Service World ist dabei weniger ein Projekt ist dabei weniger ein Projekt klassischer Sozialkritik als ein aufmerksames Protokoll des Kontrasts, der entsteht, wenn das Individuum und die ökonomischen Konventionen der Gesellschaft aufeinanderstoßen. Für eine Serie von Fotografi en haben Lock und Brother ton London und seine Umgebung, Rio de Janeiro, São Paulo und schließlich Berlin und Brandenburg bereist, um Autowaschbetriebe zu fotografieren. Dabei geht es weniger um eine klassische Arbeitsdokumentation, in der technische Verfahren und handwerkliche Gesten aufgezeichnet würden.

Die 70 x 70 cm großen Lambdadrucke bilden vielmehr ein ästhetisches Archiv der Unternehmenskultur. Nicht allerdings einer Kultur der weltweiten Marken, des Branding und der Corporate Identity, sondern einer Kultur der Selbstorganisation. Ser vice World zeigt ein Gewerbe, das eine wir tschaftliche Nische zum Überlebenskampf nutzt. Zu sehen ist dabei aber nicht eine Ästhetik des Elends oder der Armut, sondern der manchmal kreative, manchmal mühsam erzwungene Versuch, ein Angebot am Rand der Gesellschaft als attraktives Produkt zu verkaufen. Von der fantasievollen Uniformierung bis zur Typografi e der Werbetafeln ist hier eine Anpassungsleistung zu beobachten, in der ein zumeist der Geldnot abgetrotztes Kleingewerbe die Sprache des Big Business spricht. Zwar geschieht dies in einer lokalen Übersetzung und mit beschränktem Vokabular. Der Versuch, dem Wohlstandsgefälle einen selbständigen Standor t abzutrotzen, führ t aber zu einer lokal sehr verschiedenar tigen Anpassung an die geltenden Regeln des Marketing. Auch der individuelle Trotz gegen die Armut braucht Logos und Werbesprüche, Wimpel und Unternehmensfarben. Lock und Brother ton zeigen deshalb zunächst keine eiligen politischen Schlussfolgerungen, sondern die empirische Bestandaufnahme einer Mischung aus Anpassung und Autonomie. Autowäsche wird hier nicht als Aufstiegstraum beschrieben, der aus Hilfsarbeitern Millionäre macht. Die distanzier ten, stets einen Schritt Abstand wahrenden und mit Erlaubnis der Fotografi er ten zustande gekommenen Arbeiten, zeigen vielmehr die Aneignung wir tschaftlich-ästhetischer Codes. Sie demonstrieren die Mimesis des Geldverdienens – und zeigen dabei interessante und unübersehbare Unterschiede zwischen Brasilien, Großbritannien und Deutschland auf.

Die Fotografien werden in der Potsdamer Ausstellung durch eine Serie von Linoldrucken ergänzt, in denen Fragmente und Gedankensplitter ökonomischer Refl exion, Slogans, Zwischenrufe und Zitate zu einem ironischen Spiel mit der künstlerischen Anver wandlung werden. Katrin Lock präsentier t Momentaufnahmen einer unablässig kreisenden Diskussion wie Sinnsprüche an den Wänden. Mit Blattgold veredelt und in einer klassischen Technik ausgeführ t, wird hier der ökonomische Diskurs zwar zunächst zu einer anarchischen Geste. Diese Geste indes wird zum Dekor umfunktioniert. So wird die dokumentarische Ser vice World von einer Reihe von einer Reihe von Ornamenten begleitet, die in schar fem Kontrast zur praktischen Welt der wandlungsfähigen, pragmatischen Selbstorganisation stehen. Katrin Locks Drucke sind Fragmente des ideologischen Überbaus der Weltökonomie. Auch von dieser Refl exion hat sich die dokumentierte Welt der Autowäscher und Ser vicekräfte schon emanzipiert.

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Katrin Lock / Tim Brotherton
Service World
Brazil Germany England - Hopes and Realities 2006-2007