artist / participant

press release only in german

Katya Sander beschäftigt sich in ihren Projekten, Installationen und Filmen mit räumlichen Ordnungen und deren kulturellen, sozialen und politischen Bedeutungen. In ihrer ersten Einzelausstellung in Österreich zeigt die in Kopenhagen und Berlin lebende Künstlerin drei filmische Installationen: „Double Cinema“, „What is Capitalism?“ und „Exterior City“. Die Konstruktion und das Zusammenspiel dieser Arbeiten eröffnen in exemplarischer Weise Einblicke in die vielfältigen Verflechtungen von architektonischen, visuellen und sprachlichen Formen der Kommunikation und Machtausübung. Sie ermöglichen Aufschlüsse über die Verräumlichung des Subjekts, über die Ökonomien der Sichtbarkeit und über Mechanismen der Repräsentation, die Determinierungen und Disziplinierungen entgegen wirken.

„What is Capitalism“ „What is Capitalism?“ verbindet die Frage nach den Grundlagen eines allumfassenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems mit einer demonstrativen zur Schau Stellung der Art und Weise, wie im (kommerziellen) Fernsehen tagtäglich kommuniziert bzw. nicht-kommuniziert wird: Wir sehen eine Reporterin inmitten einer endlosen prärieartigen Landschaft, die PassantInnen um eine Definition des Kapitalismus bittet. Die räumliche Situation im Video, gleichsam optischer Ausdruck der ökonomischen Verhältnisse, überträgt sich unmittelbar auf die BetrachterInnen der Installation. Die Wände links und rechts der Projektion sind so verspiegelt, dass Bild- und Realraum zu einem endlosen Hyperraum mutieren, der die BeobachterInnen mit einschließt. Vor dem Hintergrund einer immersiven Wirtschafts- und Medien-Ordnung scheint zunächst dem Subjekt jedwede räumliche Orientierung und eigenständige Positionierung versagt. Möglichkeiten der Distanzierung eröffnen sich in dieser Bild- Architektur nur für wenige Augenblicke: Inmitten der Interviews reißen kurze monochrome Bildfolgen die BetrachterInnen aus der endlosen Landschaft und verwandeln den Projektionsraum in eine Pink-Box, einen virtuellen Medienraum, in dem die Konstruiertheit der räumlichen Situation direkt wahrnehmbar wird. Ähnliches geschieht am Ende des Interviews: Die Reporterin überlässt ihr Mikrofon einer zuvor befragten Familie, die mit dem Ton aus dem Bild läuft und damit die Kohärenz des Ton-Bild-Raums endgültig auflöst.

„Exterior City“ Im Mittelpunkt von „Exterior City“ stehen soziale Wohnanlagen, architektonische Apparate, entworfen auf der Grundlage historischer Gesellschaftsideale. Als Betrachter folgen wir einer jungen Frau, die auf die Eingangstüren dieser Wohnmaschinen Plakate mit politischem Inhalt affichiert und so implizit Fragen zu gegenwärtigen Kommunikations- und Handlungsmöglichkeiten im Rahmen dieser gebauten Ideologien aufwirft. Architektonische Konstruktionen und Konstruktionen der Sichtbarkeit bedingen dabei eine räumliche Ordnung, in der die Trennung von Innen und Außen, von Öffentlich und Privat aufgelöst scheint. Langsame Kamerafahrten und diffuse Lichtsituationen verleihen den Architekturen einen entrückten und unwirklichen Charakter, der durch das installative Setting der filmischen Projektion nochmals potenziert wird. Der Raum, in dem Katya Sander den Film vorführt verkleinert sich guckkastenartig zur Leinwand hin. Er wird dabei selbst zur visuellen Konstruktion und hebt die Differenz zwischen visuellem Illusionsraum und architektonischem Realraum auf. Voraussetzung für diese totale Auflösung des Raums im Visuellen ist die Positionierung der Besucher entsprechend den Gesetzen der Perspektive. Sobald sich diese jedoch frei im Raum bewegen und auf den immer kleiner werdenden Sitzbänken Platz nehmen, zerfällt ihre Wahrnehmung in inkohärente visuelle und physische Eindrücke, was in Verbindung mit dem gezeigten Film nicht zuletzt auf die Bewertung des gesellschaftspolitischen Status von Architektur und Sichtbarkeit rückwirkt.

„Double Cinema“ „Double Cinema” schließlich ist in der Ausstellung zwischen den anderen beiden Installationen platziert. Als modifizierter cinematografischer Apparat verweist die Arbeit auf Techniken der Beobachtung und Mechanismen der filmischen Repräsentation. Ausgangspunkt von „Double Cinema“ ist eine Zielgruppenbefragung, wie sie in Meinungsforschungsinstituten durchgeführt wird. In einer ausdifferenzierten Überwachungs-Architektur, in der ein dunkler Beobachtungsraum durch einen schalldichten Einwegspiegel vom Befragungszimmer der Fokus-Gruppe getrennt ist, treffen subjektive Einschätzungen und Image-Fragen auf ökonomische Interessen und Kontrollbestrebungen. Katya Sander präsentiert die Bestandteile und Funktionsweise dieses Überwachungsdispositivs, zeigt seine architektonische Einbettung in die Büro-Umgebung und begleitet die Zielgruppe samt Moderatorin auf dem Weg zur Befragung. Während des Interviews selbst ist die Kamera sowohl auf die zu Beobachteten, als auch auf die BeobachterInnen gerichtet. Zudem ist sie abwechselnd vor und hinter dem Spiegel positioniert, was insbesondere durch unterschiedliche Ton-Ebenen evident wird. Das klassische Kino verbindet institutionelle, physische und psychische Mechanismen, um Kohärenz bzw. eine möglichst kalkulierbare Verortung des Subjekts zu gewährleisten.

Der Raum, in den uns Katya Sander führt, unterläuft diese Bestrebungen gleich mehrfach. Ihre Projektion ist auf zwei einander gegenüberliegende Screens aufgesplittet, zeigt unterschiedliche Blick- und Raumpositionen in der hierarchischen Überwachungs-Architektur und gibt dazu einen Ton wieder, der die brüchige visuelle Ordnung nochmals diversifiziert. Weder führt die Befragung der Zielgruppe zu einem verwertbaren Ergebnis noch werden die BesucherInnen der Film-Installation mit einer eindeutigen Geschichte oder reduktionistischen Wahrheiten entlassen. Double Cinema öffnet den „Raum konstruierter Sichtbarkeit“, veranschaulicht die Mechanismen des skopischen Regimes in einer Weise, die keinen Zweifel daran lässt, dass wir „im Schauspiel der Welt“ angeschaute Wesen sind und gleichzeitig unser Sehen konstitutive Voraussetzung dieses Schauspiels ist. Die Sitzgelegenheiten in diesem Kino sind so angeordnet, dass sich die BeobachterInnen während der Filmvorführung gegenseitig im Blick behalten. Ein offener Blick, der nicht nur durch die beschriebenen räumlichen Ordnungen des Films und des Vorführraum ermöglicht wird und dabei maßgeblich auf den Austausch mit Anderen angewiesen ist. Die Offenheit wird auch durch zwei Türen in der Mitte des Projektionsraums gewährleistet, durch die hindurch „What is Capitalism“ und „Exterior City“ zu erkennen sind - andere „Räume konstruierter Sichtbarkeit“, in denen wiederum der diskursive Austausch mit Anderen als Grundlage möglicher Veränderung und „Freiheit“ zur Disposition steht.

Katya Sander Geboren 1970, lebt und arbeitet in Kopenhagen und Berlin.
1999-2000: The Whitney Independent Study Program, New York 1994-1999: The Royal Academy for Fine Arts, Kopenhagen, Dänemark

Einzelausstellungen/Projekte (Auswahl) 2005 In 2053 Malmö will no longer be Swedish, Rooseum, Malmö, Schweden 2004 Was ist Öffentlichkeit?, München Kunstverein, München, Deutschland 2004 Meaning is What Hides the Instability of ones Position mit Andrea Geyer, Esbjerg Kunstmuseum, Dänemark (Kat.)

Gruppenausstellungen (Auswahl) 2005 Whatever Happened to Social Democracy?, Rooseum, Malmö, Schweden 2005 Berlin, Nikolaj Exhibition Space, Kopenhagen, Dänemark (Kat.) 2004 Identify! or Studies on the Political Subject, kuratiert von Andrea Geyer, The Vera List Center for Art and Politics at The New School 2004 CYCLE TRACKS WILL ABOUND IN UTOPIA, Australian Centre for Contemporary Art, Australien (Kat.) 2004 Svenska Hjärtan (Swedish Heart), Moderna Museet, Stockholm, Schweden 2004 Password, CCGA, Tokyo, Japan (Kat.) 2003 Appropriated Spaces, Wolfsburg Kunstverein, Wolfsburg, Deutschland (Kat.) 2003 Breaking the Law, Sparwasser, Berlin 2003 Spaces of Valencies, Bratislava, Slowakei 2002 Rent-a-bench, Los Angeles (Kat.) 2002 Esplanaden II, Charlottenborg, Dänemark (Kat.) 2002 Social Sectors, Exnergasse, Wien (Kat.) 2002 The Collective Unconscious, MIGROS Museum, Zürich 2000 AUSSENDIENST, Hamburg Kunsthalle, a (city)site-specific show in Hamburg (Kat.)

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation mit Texten von Sharon Hayes, Christian Höller, Matthias Michalka und Astrid Wege.

Pressetext