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Der Titel der Ausstellung “Multistability” verweist zum einen auf den Begriff der multistabilen Wahrnehmung (multistable perception). Hiermit wird ein unvorhersagbarer und willentlich nicht vermeidbarer Wechsel der Wahrnehmung bezeichnet, der sich bei der Betrachtung visueller Illusionen und Phänomenen optischer Täuschung – beispielweise ein Vexierbild oder auch die Kippfigur – einstellt. Diese Bilder sind meist eine Verschmelzung zweier oder auch mehrerer Bilder, oft versteckt oder erzeugt ein Bild das Andere. Aufgrund einer ungewohnt mehrdeutigen Komposition können sie immer nur sukzessiv und zunächst nur einzeln wahrgenommen werden. In der Forschung zu diesem Phänomen ist unbekannt, welche Reaktion im Gehirn sich beim Zeitpunkt der Wahrnehmung des Anderen, des zweiten Bildes und dessen Inhalt vollzieht. Andererseits lässt „Multistability“ die Bedeutung eines dreidimensionalen Gegenstandes zu, dessen Möglichkeiten statisch stabiler Positionen nicht auf eine einzige beschränkt sind. Weiterhin kann Multiple Stabilität in Anlehnung an das psychisch bedingte Phänomen einer multiplen Persönlichkeit einen Wechsel unterschiedlicher Verhaltensmuster innerhalb einer Person bezeichnen. Sie kann in mannigfaltiger Form psychisch oder emotional stabil sein oder diese seelische Beweglichkeit in mehreren emotional bedingten Zusammenhängen unbewusst oder bewusst vortäuschen.

In einem abgedunkelten Raum steht das Objekt einer „Psyche“ – so lautet die Bezeichnung eines zur Jahrhundertwende gebräuchlichen Mobiliars, eines schwenkbaren Spiegelaufsatzes auf einem Toilettentisch. Auf einer ebenfalls schwenkbaren Konstruktion, die an einen Ganzkörperspiegel erinnert, ist eine gerahmte Schwarzweißfotografie fixiert. Sie zeigt eine Frau in frontal stehender Position und ist auf der Vorder- und Rückseite – einmal auf dem Kopf stehend - der Aluminiumplatte kaschiert. Die Fotografie stammt ursprünglich aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, die Frau hebt die Arme in einer einladenden Geste, die Hingabe und Aufgabe zugleich suggeriert: Ihr Blick ist zielgerichtet geradeaus, selbstbewusst und kontrolliert blickt sie den Betrachtenden entgegen.

Von der Zimmerdecke eines weiteren Raums hängt ein Objekt, das sich leicht bewegt. Von innen ist es schwach beleuchtet und zeigt das Portrait eines Mannes, das scheinbar aus zwei Perspektiven aufgenommen und auf einer zylindrischen Konstruktion fixiert wurde. Die Betrachtenden fühlen sich diesem Bild gegenüber unsicher, vor allem durch den direkten, gleichzeitig unheimlich und unangenehm anmutenden Blick.

Eine weitere Schwarzweißfotografie zeigt großformatig - einem Poster verwandt - das Bild einer Frau, die in einer unterwürfig-lasziven bis grotesken Geste sich hingibt.

Kerstin Cmelka nutzt in ihren Arbeiten oft Quellen, die zum Medium Spielfilm gehören, entfremdet diese hingegen dem jeweiligen Kontext, so dass ihre Arbeiten Fragen nach dem Phänomen einer Tradierung von Gestik und Mimik stellen und der Ursache nach ihrer allgemeingültigen Funktion. Aufgrund der klischeeartigen Konnotation eröffnen sie durch die gezeigten Gesten einen assoziativen Raum, der sowohl Gedanken an einen männlich und/ oder weiblich konnotierten Blickwinkel ermöglicht, ohne hingegen eindeutige Wertungen vorzunehmen oder auch Lösungen für sich hierüber ergebene offene Fragen anzubieten.

Meike Behm

Zur Ausstellung erscheint eine Edition.

Wir laden Sie ein zu einem Gespräch mit Dr. Sergio Neuenschwander vom Institut für Hirnforschung am Frankfurter Max-Planck Institut am Donnerstag, den 06. Juli 2006 um 19.00 Uhr.

Wir danken dem Amt für Wissenschaft und Kunst, Dezernat für Kultur und Freizeit und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst.

Pressetext

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Kerstin Cmelka
Multistability