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Eröffnung: Mittwoch, 28. 11. 2007, 19 Uhr

Seit Anfang der neunziger Jahre befassen sich Andree Korpys und Markus Löffler mit der Frage, wie Wirklichkeit in medial vermittelten Bildern konstruiert und inszeniert wird. Eine wesentliche Motivation ist dabei die Hinterfragung des postulierten und gemeinhin akzeptierten Wahrheitsgehalts dieser Inszenierung. Ihre künstlerisch- investigativen Arbeiten fokussieren insbesondere Orte und Strukturen von Macht sowie deren Repräsentation durch Architekturen, Hierarchien, Kontrollmechanismen oder Gewaltausübung. Allerdings richten die Künstler den Blick – entgegen allen Erwartungen – auf scheinbar Nebensächliches, wie beispielsweise auf Nebenschauplätze von historisch-politischen Events oder auf beiläufige Handlungen der dargestellten Neben- und Hauptpersonen. Diese belanglosen, unspektakulären Momente reflektieren eine Funktionsweise von Macht, die gerade auch in unsichtbaren Momenten bzw. abgeschirmt von der Öffentlichkeit zur Geltung kommt. Korpys/Löffler kombinieren dabei Fiktionales, Biografisches und Dokumentarisches in Videos, Zeichnungen, Fotografien und komplexen Installationen, um immer neue, alternative Erzählstränge und Bildbezüge zu den massenmedial diktierten, d.h. offiziellen Imagekampagnen zu entwerfen.

Mit den Amerika-Filmen (WORLD TRADE CENTER / UNITED NATIONS / PENTAGON, 1997) nahmen Korpys/Löffler 1996 drei international bekannte Institutionen ins Visier. Sie griffen damit instinktiv drei Orte heraus, die bald im Mittelpunkt folgenschwerer geopolitischer Entwicklungen standen, Stichwort: 9/11. Mit einer Super-8- Kamera filmten sie architektonische Details und Gebrauchsgegenstände, den Autoverkehr, Passanten und Wartende in unmittelbarer Nähe dieser Schaltzentren der Macht. Was sie dabei besonders interessierte, waren die Sicherheitsvorkehrungen, die schwarzen Limousinen und die allgegenwärtigen Bodyguards. Mittels Kameraführung, Schnitt und Tonspur erzeugten die Künstler eine dramaturgische Spannung; gepaart mit der spezifischen Bildästhetik des Filmmaterials entsteht eine konspirative Atmosphäre, die an amerikanische Thriller erinnert. Dennoch bleiben die Bilder rätselhaft und die Erwartungen laufen ins Leere.

Anlässlich des Staatsbesuchs des amerikanischen Präsidenten George W. Bush im Mai 2002 in Berlin, der unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfand, besorgten Korpys/Löffler eine Presseakkreditierung, um dieses politische Ereignis zu filmen. Der resultierende 30-minütige Film THE NUCLEAR FOOTBALL (2004) richtet seinen Blick im Gegensatz zum standardisierten Repertoire offizieller Medienbilder auf das rein formale protokollarische Geschehen wie Ankunft, Militärparade und Verabschiedung, auf Security-Maßnahmen und den titelgebenden Lederkoffer, in dem sich Anweisungen für die Auslösung eines sogenannten nuklearen “first strike” befinden. Dominantes Gestaltungsmittel ist eine monotone Flüsterstimme, die vermeintlich vertrauliche, exklusive Informationen von sich gibt; doch es sind allgemein zugängliche, teilweise gar banale Informationen. Dieses Stilmittel, der unemotionale Gestus und eine Symbolik des Symbolverzichts in den filmischen Bildern legen offen, wie sich politische Macht heute in Formalismen und Verschlüsselungen repräsentiert.

Titelgebend für eine 2007 realisierte Arbeit ist ein Kampfruf, den Globalisierungsgegner beim G8-Gipfeltreffen im deutschen Heiligendamm skandierten: EURE KINDER WERDEN SO WIE WIR! Auch hier als Journalisten akkreditiert, haben Korpys/Löffler die Ereignisse rund um das Treffen internationaler Wirtschaftsmächte, auf welchem sich staatstragende Prominenz und organisierter Protest konzentrierten, dokumentiert. Sie produzieren mitunter Bilder, die in medialen Darstellungen nicht zu finden und dennoch unbestritten Teil dieses Ganzen sind: Natur in Nahaufnahmen, Regenwürmer und Käfer, die unbeeindruckt von den Geschehnissen vom Lauf der Dinge zeugen; dazu gesellen sich Hubschrauber, die möglicherweise die Machthaber einfliegen oder für Sicherheit sorgen, wie auch Stimmungsbilder der Demonstrationstouristen. Wie schon in früheren Arbeiten vermag dieser „andere“ Blickwinkel und die jede Moral vermeidende Haltung, die in der Bildsprache spürbar ist, den Kern des Geschehens freizulegen.

In der Secession zeigen Korpys/Löffler insgesamt sechs filmische Arbeiten, darunter eine ganz neue ortsspezifische Videoproduktion. Nicht zuletzt greift die von den Künstlern entwickelte Ausstellungsarchitektur die Methode der Umkehrung von Perspektiven und Vordergründigkeiten auf. Ein „Korridor“ entlang der zentralen Achse des Hauptraums führt die für Korpys/Löffler typische ambivalente Haltung vor Augen: Die sichtbare Stützkonstruktion befindet sich im Inneren des Ganges, wodurch die Innenwände eigentlich als Außenwände erscheinen. Ist der vermeintliche Korridor am Ende bloß ein Zwischenraum?

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (dt./engl.).

ANDREE KORPYS, geb. 1966 in Bremen, lebt in Berlin. MARKUS LÖFFLER, geb. 1963 in Bremen, lebt in Bremen.

EINZELAUSSTELLUNGEN (Auswahl): 2007 Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, Oldenburg; 2006 Kleines Seemannsheim für ausmontierte Seelen, Sprengel Museum Hannover; Für ein Leben nach dem Tod, Meyer Riegger, Karlsruhe; 2004 unter Bildhauern, Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg; Münchenschlinge, Kunstraum München; Korpys/Löffler, Städtische Galerie Nordhorn; The Nuclear Football, Galerie Otto Schweins, Köln; 2002 Meyer Riegger, Karlsruhe; 2000 Kunstverein Graz; Kunsthalle Nürnberg.

GRUPPENAUSSTELLUNGEN (Auswahl): 2007 History will repeat itself, Hartware MedienKunstVerein, Dortmund, Kunst-Werke Berlin; Reality Bites, Mildred Lane Kemper Art Museum, St. Louis; Die Stadt von Morgen, Akademie der Künste, Berlin; 2006 SNAFU, Medien Mythen, Mind Control, Hamburger Kunsthalle; 40JahreVideoKunst.de, ZKM Karlsruhe, K21 Kunstsammlung NRW, Lenbachhaus München, Kunsthalle Bremen, Museum der Bildenden Künste Leipzig.

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