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Nie seht in eurer Höhle Tag ihr schimmern;? Doch durch die Ritzen Fieberkeime ziehn; Sie flammen auf, dass sie wie Lichter flimmern? Und gehn wie Gift durch euren Körper hin Femmes Damnées (Delphine et Hippolyte), - Charles Baudelaire: Les Fleurs du Mal

Kristina Schuldt hat in der jüngsten Vergangenheit ihr ursprüngliches Medium Malerei durch Objekte aus Pappmachée wie organische Herzen, Kruzifixe, einem mit der Ornamentik russischer Volkskunst verzierten Penis und Overknee-Siefeln um eine Dimension erweitert. Neu ist allerdings, dass sie nun auch den Raum als Bildträger gebraucht und zusätzlich die Neuen Medien in diese Installation einbindet. Bei diesem von Bildern, Symbolen und Objekten überbordenen Raum, der sich durch ein Bett als Schlafzimmer entlarvt, erschafft sie selbstredend eine Metapher ihres Innenraums und zeigt die Momentaufnahme einer Reizüberflutung, die sie in Form von äußeren Eindrücken, aber auch als innere Dämonen tränken. Mit dem Ausstellungstitel „Roche zehn“ - das ist ein sehr starkes Beruhigungsmittel – nennt sie einen Austritt aus dem sinnlichen Overload: den Schlaf!

Die geschwärzten Wände sind von knallfarbenen Rauten übersät, die an Diamanten erinnern, in der klassischen Ikonografie aber auch für die Vulva stehen können. Kristina Schuldt ist große Bewunderin Andy Warhols, aber eine Assoziation mit Diamanten, Betäubungsmittel und Warhols „Diamonds Girl“ Marilyn Monroe, scheitert spätestens beim Anblick ihres Bildes „Paris“, die Schuldt als ihren Star ins Rennen schickt. Paris Hilton entspricht weniger dem Bild der tragischen Sexbombe, die darum ringt, in ihrer Kunst ernst genommen zu werden, sondern ist ein plakatives Party-Girl, das sich ohne hohen künstlerischen Anspruch als Label clever selbst vermarktet. Blond ist nicht gleich blond! Auf dem Bild Schuldts ist sie so schematisiert, dass sie ohne den Titel nicht wieder erkennbar wäre. Das Interesse sowohl an Paris Hilton, als auch an Warhol ist damit auf eine rein motivische Auseinandersetzung begrenzt. In der Umsetzung ist ihre Malerei sehr gestisch und auch der hohe Abstrahierungsgrad wäre für den Master of Pop Art eher atypisch. Es lassen sich hierbei eher Vergleiche zu Alex Katz ziehen; einem Katz allerdings, der durch die Hölle geläutert wurde, denn der Stil von Kristina Schuldt trägt immer den Duktus des Dunklen und des Rauschhaften. Einem Rausch der sich nie haltlos in sich selbst verliert. Der Halt wirkt aber auch nicht verräterisch inszeniert, sondern dem Entstehungsprozess inhärent. Ein beispielhaftes stilistisches Element ist dabei der Raum, der immer unbestimmt bleibt, weil sie mit ihm spielt und ihn vor- und zurückspringen lässt, oder ihn wie in ihren Porträts einfach weglässt. Die Gesichter spiegeln extreme Passionen wieder (Vgl. das Selbstporträt oben), sind bis zur Gesichtslosigkeit vernebelt, oder aber kultisch aufgeladen. Der Fokus auf die Person ist absolut, so dass der Raum in eine reine Farbfläche verschwindet. Während sie durch die raumgreifende Arbeit Räume erschließt, bleiben sie in den Bildern selbst undefiniert.

Das Video in Kristina Schuldts Rauminstallation zeigt einen endlosen Kuss, der ganz Warholesk aus einer Reality-Show gecuttet wurde. Und wenn es dunkel wird, treten leuchtende psychedelische Symbolen hinter den Rauten ihrer Wandbemalung zum Vorschein. Der Schlaf ist eben doch nur das Bild des Todes (Cicero) und bietet nicht immer die Erlösung, sich vor den Dämonen der Nacht ganz zu verschließen.

Lu Potemka

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Kristina Schuldt
"Roche Zehn"