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Eröffnung 22.03.2012, 18:00

Von Berlin aus gesehen, wo dieser Text eben geschrieben wird, wirkt München übersichtlich, und es ist für mich schwer einzuschätzen, ob man sich in München wundern wird, eine Galerie in einer Gegend zu finden, die hier als Wohnviertel bekannt ist. Oberföhring also; und ich stelle mir Rosenrabatte und Rasenflächen vor und Vögel, alles in einem südlicheren Licht, und ich versuche Zehlendorf aus dem Kopf zu bekommen, von dem Christopher Isherwood als einem düsteren schlammigen Loch spricht, in das sich die Reichen zurückgezogen haben − einer Art Slum für Reiche, wie er es nennt.

Deborah Schamoni eröffnet nun, aus Berlin kommend, im München, Oberföhring eine neue Galerie, und so ist das sowohl für uns, die wir aus verschiedensten Gründen einmal nach Berlin gezogen sind, als auch für die Münchner, vor denen sie vor vielen Jahren über Hamburg nach Berlin weggezogen war, ein Ereignis. Das Berliner Ereignis ist, dass wieder einmal jemand aus Berlin weggegangen ist, dass wir nach München schauen sollen, und dass neben anderen geografischen Anhaltspunkten, dem Kunstverein München, der Lothringer 13 und dem Lenbachhaus, die sich immer auch schon mit künstlerischen Entwicklungen in Berlin beschäftigt haben, es einen weiteren Ort geben wird, der auf der inneren Landkarte auch unseres Kunstbetriebes einzutragen ist. Die Münchner wiederum werden selbst einsetzen, was sie an diesem Ort interessieren könnte.

Eine Galerie ist ein Ort, an dem unter bestimmten Bedingungen, die von Martin Kippenberger als Handel und Wandel beschrieben wurden, Kunst gezeigt wird. Diese Galerie ist darin nicht anders, und hat zusätzlich noch einige räumliche Eigenheiten, durch ihre Situierung in einer Stadtvilla, abseits der eigentlichen Kunstmeilen, dafür mit Aussenraum. Mir fällt Erhard Kleins Galerie dazu ein, einem der wichtigsten Galeristen im Nachkriegsdeutschland, über dessen Galerie so viele Anekdoten im Umlauf sind, von den Stützbalken, die jedesmal im Keller aufzustellen waren, wenn neue Steine von Ulrich Rückriem kamen, bis zu dem blauen Dreieck von Palermo über der Tür. Auch hier entwickelte sich eine Galerie rund und mit einem Haus und dem umgebenden Aussenraum.

Wenn es für Erhard Klein Beuys und Palermo waren, die grundsätzlich seine Galerietätigkeit bestimmt haben, ist es für Deborah Schamoni sicherlich die langjährige Freundschaft zu Judith Hopf und Henrik Olesen, die ihr Interesse an zeitgenössischen Positionen bestimmt.

Judith Hopf lebt in Berlin und unterrichtet an der Städelschule in Frankfurt. Nicht zuletzt seit ihrer Teilnahme an der documenta 2012 werden ihre Arbeiten international, v.a in Großbritannien, Italien und den USA gezeigt und beachtet. Ihre Kunst ist in einem zeitgenössischen Skulpturenbegriff verankert, mit einer eigenständigen Arbeit im Videobereich. In den letzten Jahren hat sich dazu ein sehr distinkter Zeichnungsstil entwickelt, der sich mit der sprechenden Linie auseinandersetzt und an die Zeichnungen von Saul Steinberg aus den 50er Jahren anknüpft. Judith Hopfs Werk erinnert an Entwicklungen der Arte Povera, mit einer sprachlichen Komponente von ziemlichen Witz. Diese schnelle Umsetzung von „Kopf auf Hand”, die keinerlei Vermittlung bedarf, bei der jedes Werk für sich selbst und ohne Künstlerin spricht, verbindet sie mit Henrik Olesen, auch er einer der bestimmenden Künstler der letzten Jahre in Berlin.

Henrik Olesen wurde im vergangen Jahr mit dem Kölner Hahn Preis ausgezeichnet und vor zwei Jahren wurden seine Arbeiten in der ersten großen Einzelschau im Museum für Gegenwartskunst in Basel gezeigt. Seine Medien umfassen vor allem Skulptur und Druckgrafik. Ich könnte hier sehr lang über Henrik Olesen schreiben und habe das auch schon an anderer Stelle getan. Ich halte ihn für einen der wichtigsten zeitgenössischen Künstler, nicht nur als „Artist's Artist”, der er in Berlin sicherlich ist, sondern viel allgemeiner in seiner so sicheren Handhabung von Alltäglichem zu so noch nie Gesehenen. Dass Deborah Schamoni mit diesen zwei Künstlern gleich die erste Ausstellung in einer neuen Galerie eröffnen kann, zeigt, dass hier weit über geschäftliche überlegungen ein großes Naheverhältnis zu den gezeigten Künstlern und Künstlerinnen besteht.

Michaela Eichwald stellt in dieser Hinsicht, die jetzt immer so geografisch aussieht, aber eben auch verschiedene Traditionen, Diskurse und Täglichkeit umfasst, eine Klammer dar. Sie lebt in Berlin, hat aber auch in den letzten Jahren mit Stephan Dillemuth an der Münchner Akademie gearbeitet. Von Michaela Eichwald kenne ich großformatige, zum Teil auf Collage basierende Malerei, sowie gegossene Polyharz Skulpturen. Die Malerei ist − ein wenig Sigmar Polke verwandt - auch durchaus gegen die Malerei entwickelt, Materialität bekämpfend und wirken lassend, sich selbst kommentierend, ansammelnd und zum Schluss selbstbewusst, in jedem Sinn. Das richtet sich gegen vieles und tritt für vieles ein und benötigt vom Betrachter und der Betrachterin ebenfalls ein gewisses Selbstvertrauen.

Für mich erinnert der Name der Ausstellung KUKUK, auch seine eigenartig deutsche Altertümlichkeit, an die Zeit, in der München im Zentrum der Kunstentwicklung stand, jene Schwabinger Boheme, mit ihren kabarett-affinen Zwischenrufern. Der Künstler Stephan Dillemuth ist ein solcher Zwischenrufer im Kunstbetrieb. Es ist die im Münchner Kunstleben sicherlich bekannteste Position der Galerie, einer, dessen künstlerische Entscheidungen bei Künstlern immer große Aufmerksamkeit und Neugierde hervorruft, und es ist, auch von hier aus, sehr interessant, wie sich seine Zusammenarbeit mit einer Münchner Galerie entwickelt.

Die zwei jüngsten Künstler der ersten Ausstellung, Stefan Janitzky und Max Schmidtlein leben und arbeiten in München. Ich kenne Stefan Janitzky auch als einer der Organisatoren von Lothringer Strasse 13 und als sehr aufmerksamen Kunst-Beobachter. Es hat sich im Kunstbetrieb der letzten Jahre eigenartigerweise als Nachteil herausgestellt, wenn Künstler über ihre Bedingungen nachgedacht haben, oder diese vielleicht sogar selbst in die Hand genommen haben. Das ist eine seltsam a-historische Sichtweise, und kann sich auch wieder ändern. Die Arbeit von beiden kenne ich noch nicht, weiss aber, dass sie in München wichtige Positionen darstellen. Deborah Schamonis Galerie wird das jetzt zeigen, was ich besonders toll finde, weil man ja auch mal gern was Neues sieht.

Cosima von Bonins Werk ist jedoch im deutschen Kunstbetrieb sehr bekannt, und das nun schon seit Mitte der 90er Jahre. Sie gehört, mit Rosemarie Trockel, die wie Bonin in Köln arbeitet, zu den Künstlern, die Stoff, mit seiner eigentümlichen Materialtemperatur verwenden. Mit solchen genauen Materialsetzungen, die den Beuysschen Skulpturenbegriff und seine Ausdehnung in Temperatur und Gewicht als Parameter von Skulptur weiterentwickeln, ist sie bekannt geworden. Bei Deborah Schamoni zeigt sie Arbeiten auf Papier, die noch nicht oft gezeigt wurden. Auch Bonins Arbeiten haben diesen selbstsprechenden schnellen sprachlichen Witz, der bei Judith Hopf so präsent ist, dazu kommt noch so etwas wie Kölner Schule im Ausloten des Kalauers und eine Selbstverständlichkeit bei der Herstellung des Werks, die es so in Berlin nicht gibt.

Al Steiner zu dieser Ausstellung durchgängig in Deutschland lebender Künstler und Künstlerinnen dazuzunehmen, zeigt uns die Galeristin. Deborah Schamoni und ihre neue Galerie kommen nicht aus einem abgegrenzten Kunstdiskurs, so legitim auch das wäre, sondern aus vielen verschiedenen. Das hatte in Berlin etwas Befreiendes und hat hier viel ermöglicht. Es kann für München nicht falsch sein. Al Steiner ist ein/e politische/r Künstler//in des nicht-konsumierbaren Lebens, Eigentlich Fotografin, in Deutschland vor allem auch durch ihre Zusammenarbeit mit Chicks on Speed bekannt, verfügt sie über eine Unabhängigkeit zum klassischen Ausstellungsbetrieb, die auch aus einer Verankerung in und Verantwortlichkeit gegenüber der New Yorker Queer-Community kommt. Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten stellen dieses Netzwerk dar. Das ist nun New York, auch dahin hat und wird die Galerie von Deborah Schamoni Fäden ziehen.

Jetzt sind wir in Berlin natürlich traurig, dass wir nicht so eine schöne neue Galerie bekommen, werden dafür aber wohl häufiger nach München kommen müssen. Leider ist die Bahn dorthin unverschämt teuer, das Essen dann aber besser.

Ariane Müller Herausgeberin von Starship

(„Mach et nisch zu teuer“ pflegte Erhard Klein zu sagen, wenn er mit seinen Künstlern über die Preisgestaltung ihrer Kunstwerke verhandelte. Die Geschichte der Galerie Klein, 1970 bis Anfang 1994 in Bonn und ab Sommer 1994 in Bad Münstereifel-Mutscheid, ist eine Geschichte voller Anekdoten, aus denen stets deutlich wird, daß Erhard Klein und seine Künstler keine distanzierten Geschäftsbeziehungen, sondern enge und lange Freundschaften pflegten.)

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Kukuk

Künstler: Cosima von Bonin, Stephan Dillemuth, Michaela Eichwald, Judith Hopf, Stephan Janitzky, Henrik Olesen, Max Schmidtlein, A.L. Steiner, Macho Mel Shimkovitz