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Die Eröffnung unserer Ausstellung SEIZED (Beschlagnahmt) am 2. Oktober 2009 fällt in eine künstlerisch wie politisch bewegte Zeit: Das Artforum und andere Kunstmessen beleben Berlin, wir sind aufgefordert, einen neuen Bundestag zu wählen, und die öffentlichen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit stehen unmittelbar bevor. Unser Projekt fügt sich in genau dieses Spannungsfeld ein: Als Kunstausstellung wirft es Fragen zu künstlerischer Meinungsfreiheit und staatlicher Repression auf, reflektiert über das Abhängigkeitsverhältnis von Politik und Wirtschaft und zeigt künstlerische Strategien, die dies zu unterwandern versuchen. Amerika, Land der Freiheit, war der Schauplatz der Ereignisse, die dieser Ausstellung zugrunde liegen. Sie zeigt, dass es auch in einer Demokratie für Künstler nicht selbstverständlich ist, Machtverhältnisse zu kritisieren und öffentlich Stellung zu beziehen.

Die Ausstellung SEIZED setzt sich mit dem Fall des CAE-Mitglieds und Kunstprofessors Steve Kurtz auseinander, der aufgrund seiner kritischen Kunstpraxis Opfer einer FBI-Razzia wurde, aus der vier Jahre juristische Verfolgung hervorgingen. Im Mai 2004 verstarb eines Nachts unerwartet Steve Kurtz’s Frau Hope aufgrund eines bisher nicht diagnostizierten Herzfehlers. Die Feuerwehr, die kurz darauf eintraf, fand neben dem Leichnam der Frau ein voll ausgestattetes Chemielabor vor, das dem Ehepaar Kurtz der Vorbereitung auf ihre nächste Ausstellung diente. Der Feuerwehr erschien dies jedoch verdächtig, und sie verständigte sofort das FBI. Im Zuge einer dreitägigen Razzia konfiszierten sie nicht nur Kurtz’s Computer, Archivmaterialien, Kunstwerke und eine Reihe von Büchern, die er für seine Forschung zu einem neuen Buchprojekt benötigte, sondern auch den Leichnam seiner Frau. Er selbst wurde 22 Stunden verhört mit dem Ziel, ihn des „Bioterrorismus“ und des Mordes an seiner Frau anzuklagen. Später wurde der Anklagepunkt in „Postbetrug“ geändert, doch erst 2008 wurde der Fall wegen mangelnder Beweislage endgültig zu den Akten gelegt.

In ihrer Installation The Body of Evidence (Beweiskörper) drehen die Künstler das Opfer-Täter-Verhältnis um: Da das FBI sie ihrer künstlerischen Materialien beraubt hat, konfiszierten sie im Gegenzug die Rückstände, die diese nach der Durchsuchung auf dem Grundstück von Steve Kurtz zurückgelassen hatten – Pizzaschachteln, Getränkeflaschen, Schutzanzüge, Tüten für Biomaterialien, Notizen sowie einen Zigarrenstummel. Die Kuratoren der Ausstellung Regine Rapp und Christian de Lutz schreiben dazu im Ausstellungskatalog:

„Die Präsentation der Notizen, die sich die Bundesagenten während der Durchsuchung gemacht haben, gleicht einer Strategie der Gegen-Aneignung, bei der das CAE und das IAA jene zurückgelassenen Objekte als ‘Beweismittel’ für ihre eigenen Untersuchungen nutzen. Dies stellt den Fall auf den Kopf und untergräbt dadurch die Machtstrukturen. Die konfiszierten Dinge werden gegen die zurückgelassenen Dinge ausgetauscht, die wiederum die Grundlage der Ausstellung bilden. Durch diesen sonderbaren reziproken Akt kehren die Künstler das gesamte Ermittler-Täter-System um. Die Leerstelle, die durch die Beschlagnahmung der Kunstwerke von CAE entstanden ist, wurde mit dem Unrat des Staats gefüllt, wodurch die Abwesenheit der konfiszierten Objekte umso greifbarer wird.“

Neben der vielschichtigen Installation Body of Evidence dokumentiert die Ausstellung künstlerische Arbeiten und Performances von CAE, an denen Steve und Hope Kurtz kurz vor der Razzia arbeiteten, wie zum Beispiel Free Range Grain (2003-04) oder Molecular Invasion (2002-03). Art Laboratory Berlin zeigt außerdem in Zusammenarbeit mit dem arsenal – institut für film und videokunst e.v. den Film Strange Culture von Lynn Hershman Leeson aus dem Jahr 2007, der sich mit dem Fall Steve Kurtz auseinandersetzt. Daran anschließen wird sich eine Podiumsdiskussion.

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Kunst und Recht III
SEIZED

Künstler: Critical Art Ensemble , Institute for Applied Autonomy