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ERÖFFNUNG: 14.9.2012, 19:00 Uhr

Wir freuen uns sehr, Palace/Palace, Larissa Fasslers dritte Einzelausstellung bei SEPTEMBER ankündigen zu können. Den Ausgangspunkt für Fasslers jüngste skulpturale Arbeiten bildet die Auseinandersetzung mit dem Abriss des Palastes der Republik und dem geplanten Neubau des Berliner Stadtschlosses. In ihrem Werk thematisiert die kanadische Künstlerin immer wieder das symbiotische Verhältnis zwischen Bewohnern und urbanen Orten. Fassler untersucht die Art und Weise, wie diese Orte die Menschen physisch und psychisch beeinflussen und umgekehrt - wie die Wahrnehmung und das Verständnis der Umwelt sich in den Bauwerken manifestieren. So auch in ihrer aktuellen Installation bei September: Palace / Palace beschäftigt sich mit der Frage, wer Ansprüche oder Rechte auf historische Erinnerungen hat, was erhalten bleibt, abgerissen oder erbaut wird und die Bedeutung und Deutung der Stadt immer wieder aufs Neue verändert. In ihren früheren Arbeiten Alexanderplatz (2006) und Kotti (2008) versuchte Fassler mit den Mitteln der Zeichnung und Skulptur Orte ins Bewusstsein zu rufen, die ansonsten übersehen oder bewusst vernachlässigt werden. In jüngeren Arbeiten, die auf urbanen Orten und Knotenpunkten in Paris basieren, wie etwa Les Halles (2011) nahm ihr Werk eine politischere Haltung ein: Es thematisiert Fragen der Stadtsanierung, Gentrifizierung, Klassenunterschiede, den Streit um die Nutzung von öffentlichem, städtischem Raum.

Palace/Palace: Ein Palast steht gegen den Anderen - Palast der Republik versus Stadtschloss. Berlin ist gekennzeichnet von städtebaulichen Projekten, mit denen versucht wurde, die Identität der Stadt zu prägen. So versuchten etwa die preußischen Könige, die Nationalsozialisten oder die DDRRegierung die Stadt in ihrem Sinne zu formen. Seit der wilhelminischen Ära ist es hier Tradition das Vermächtnis der vorhergehenden Generation auszuradieren und ein neues Konzept der Geschichte zu entwerfen. Allerdings blieben die städtebaulichen Strukturen, die in den unterschiedlichen Epochen und Regierungsformen geschaffen wurden, Elemente in einem bis heute völlig heterogenen Stadtbild. Fassler spielt im Titel der Ausstellung auf den Versuch an, dieses Stadtbild zu homogenisieren und von ungewünschten Relikten zu säubern: In der englischen Übersetzung von „Palast/Schloss“ zu „Palace/Palace“ verwischen die beiden Begriffe, die Seiten werden austauschbar, die politischen und ideologischen Konflikte sind planiert. Für Kritiker des Wiederaufbaus des Stadtschlosses ist der geplante, historisierende Bau allerdings eine geschichtliche Verfälschung, eine anti-moderne, disneyfizierte Fassadenarchitektur, die ganz bewusst das 20. Jahrhundert ausblendet, um eine geschichtliche Kontinuität zu suggerieren, die so nie existiert hat.

Die zentrale Skulptur von Palace/Palace bildet ein großformatiges, 12 Quadratmeter großes Modell einer Fassade, die aus architektonischen Elementen des Stadtschlosses und des Cinderella Castles, dem Wahrzeichen der Disney Themenparks, zusammengesetzt ist. Die Struktur ist an zwei Seiten geöffnet. Ihre Innenseite ist im selben Maßstab mit den Negativformen des Palastes der Republik ausgekleidet, wobei die architektonischen Elemente wie Abgüsse wirken. Die gesamte Innenseite ist mit goldener Bronzefolie ausgeschlagen, so dass eine Art glänzende Leerstelle entsteht. Begleitend dazu hat Fassler eine Serie von annähernd drei hohen Stahlskulpturen entwickelt, die auf den Beton- Treppenhäusern basieren, die während des Abrisses auf dem Gelände stehen blieben – minimalistisch reduzierte Strukturen, die im radikalen Kontrast zur effektgeladenen, Fassadenarchitektur der Schlossskulptur stehen.

Fasslers Installation lotet die Grenzen zwischen Architektur, Modell und Skulptur aus. Zugleich basiert sie auf der fundamentalen Unterscheidung zwischen historischem Relikt und Monument. Dem „stehengebliebenen“ Relikt, das auf unterschiedliche, komplexe Weise gelesen und interpretiert werden kann, stellt sie die ideologische Zielsetzung des „gemachten“ Monuments entgegen. Ihre Schlossskulptur erinnert an ein Bühnenbild oder eine glitzernde, leere Verpackung. Sie steht für eine Architektur, die konstruiert wird, um eine festgelegte Bedeutung und Symbolik zu generieren, die selbst eine subjektive historische Interpretation ist. Das Element der Verpackung, des Displays verbindet sich bei Fassler dabei auch mit der Kritik an dem expansiven Stadtmarketing, das das Bild der Städte immer mehr prägt und eine möglichst gefällige, touristenfreundliche und leicht konsumierbare Architektur hervorbringt.

Press Release:

LARISSA FASSLER: PALACE / PALACE 11.9. – 13.10.2012 OPENING: 14.9.2012, 7 pm

We are pleased to announce Palace/Palace, Larissa Fassler’s third solo exhibition at SEPTEMBER. The point of departure for Fassler’s recent sculptural works is an investigation into the demolition of the Palast der Republik and the planned reconstruction of the Berlin Stadtschloss. In her work, the Canadian artist repeatedly addresses the symbiotic relationship between people and the urban areas they inhabit. Fassler investigates the way in which these places affect people psychologically and physically and vice-versa—how perception and an understanding of the environment become manifest in buildings themselves. This is also true for her current installation at September: Palace/Palace explores the question of who can lay claim or has a right to historical memories, what should be left standing, what should be demolished or rebuilt, and how this changes the meaning and interpretation of the city again and again. In her earlier works Alexanderplatz (2006) and Kotti (2008), Fassler sought to use the means of drawing and sculpture to make visible locations that are otherwise overlooked or deliberately neglected. Her recent works based on urban locations and major hubs in Paris, such as Les Halles (2011), have adopted a political stance as they address questions of urban renewal, gentrification, class difference, and the struggle over the right to use public city space.

Palace/Palace: One palace stands opposing the other — the Palast der Republik versus the Stadtschloss. Berlin has always been characterized by city building projects that seek to forge an identity for the city. In this vein, then, the Prussian kings, the Nazis, and the East German government, among others, all attempted to shape the city as a refection of their ideology and vision. Since the Wilhelminian era, it has been a tradition here to erase the legacy of the previous generation in order to create a new concept of history. The city buildings created throughout the various different epochs and forms of government are however left behind: elements of a city that has remained thoroughly heterogeneous to this day. With the exhibition title, Fassler plays on the attempt to homogenize the city’s image and to cleanse it of undesired relics: in the English translation of “Palast/Schloss” to “Palace/Palace,” the two terms are blurred, the sides become interchangeable and the political and ideological conflicts smoothed. For critics of the rebuilding of the Stadtschloss, however, the planned historicizing structure is a historical forgery, an anti-modern, Disneyfied façade that deliberately omits the 20th century to suggest a historical continuity that has never existed in this form.

The central sculpture of Palace/Palace is a large-scale, 12-square-meter model of a façade composed of architectural elements of the Stadtschloss and the Cinderella Castle, the Disneyland trademark. The structure is open on two sides. In the same scale, its interior is lined with the negative form of the Palast der Republik, with the architectural elements resembling casts. The whole interior is lined with bronze foil, creating a shiny empty space. Accompanying this work, Fassler has created a series of three high steel sculptures based on the concrete stairwells that remained on the site after the Palast der Republik’s demolition—minimalistic, reduced structures they contrast radically the Schloss sculpture’s effect-filled façade architecture.

Fassler’s installation probes the borders between architecture, model, and sculpture. At the same time, it is based on a fundamental distinction between historical relic and monument. It counters the ideological goal of the “made” monument with the “remaining” relic, which can be read and interpreted in a variety of complex ways. Her Schloss sculpture is reminiscent of a stage set or a glittery empty package. It stands for an architecture that is built to generate an established meaning and symbolism, which is itself a subjective historical interpretation. Fassler combines aspects of packaging and display with a critique of the widespread city marketing that increasingly dominates a city’s image and creates an architecture that is as pleasant, tourist-friendly, and easily consumable as possible.

only in german

Larissa Fassler
Palace/Palace