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Theo van Doesburg (1883 – 1931) war nicht nur die Verkörperung von de Stijl, er war als Künstler, Theoretiker, Organisator, Herausgeber und Lehrer treibende und inspirierende Kraft der internationalen Avantgarde schlechthin. Zunächst in der anarchisch-subversiven Sprache Dadas, dann in der rationalen Klarheit des Konstruktiven und Konkreten, brachte er Kunst und Leben einander näher, mischte das Weimarer Bauhaus auf und beeinflusste es nachhaltig.

Erstmals 1924 auf seine eigenen Arbeiten angewendet, gründete van Doesburg 1929 die Gruppe Art Concret in Paris, um in dem 1930 veröffentlichten Manifest die Grundlagen der konkreten Kunst in sechs Punkten zu beschreiben: als universelle Kunst, die vor ihrer Ausführung vollständig im Geiste entworfen und durchgestaltet, also rational sein soll; die keine natürlich, sinnlich oder emotional vorgegebenen Formen, nichts Lyrisches, Dramatisches oder Symbolisches enthalten dürfe, vielmehr konstruiert ist aus rein bildnerischen Elementen, die nur ‚sich selbst’ bedeuten, einfach und visuell überprüfbar sind, exakt hergestellt und von absoluter Klarheit. Bereits im Laufe des Jahres 1930 erkannte der wegen seines Dogmatismus vielfach kritisierte van Doesburg, der zugleich Dynamik und Veränderung lebte und pries, dass die Zeit rigider Manifeste und Regeln vorbei war. Im Februar 1931 wurde die Gruppe Abstraction – Création in seinem Haus in Meudon gegründet – nur drei Wochen vor seinem Tod am 7. März 1931.

Die Gesellschaft für Kunst und Gestaltung nimmt das 80-jährige Jubiläum seines Manifests zur konkreten Kunst und sein 80. Todesjahr 2011 zum Anlass, in einer Ausstellung der Frage nach Aktualität und Wirkung des ‚Vaters der konkreten Kunst’ in den Niederlanden bis heute nachzugehen. Bei der Auswahl der Künstler/innen ist die Auseinandersetzung mit van Doesburgs Vorstellungen von einer konkreten als einer universellen Kunst ein erster Anhaltspunkt. Darüber hinaus wird – 80 Jahre nach seinem Tod - nach dem Fortleben dessen gefragt, was die Künstlerpersönlichkeit van Doesburg in ihrer Vielseitigkeit und Widersprüchlichkeit initiiert, gefordert und verfolgt hat.

Die ausgewählten Werke von sieben Künstlern und zwei Künstlerinnen im Alter zwischen 85 und 40 Jahren offenbaren exemplarisch die Vielfalt der Beschäftigung mit und Beeinflussung durch van Doesburg - von der mehr oder weniger direkten Anknüpfung an de Stijl über die Reibung bis hin zum reflektierten Widerstand. Ihnen liegen Fragen nach den Bedingungen und Voraussetzungen von Kunst als solcher und ihrem Realitätsgrad zugrunde, Fragen nach Farbe und Licht, Raum und Zeit, Statik und Dynamik.

Bereits van Doesburg und ihm geistesverwandte Künstler erkannten, dass diese Fragen für die Kunst von zentraler Bedeutung sind. Immer noch und weiterhin bedienen sich Künstler dabei der geometrischen Grundformen in ihren unerschöpflichen Möglichkeiten, ob streng oder spielerisch, systematisch oder intuitiv, konzeptuell und selbstreferenziell oder mit dadaistisch anmutendem Alltagsbezug.

Während der eng gefasste Begriff der konkreten Kunst als einer ausschließlich auf mathematischen Gesetzen und Systemen basierenden Kunst von vielen der jüngeren Generation abgelehnt wird, ist sie als sinnlicher Ausdruck einer gegenstandslosen Welt der Ideen, Konzepte und Theorien und nicht zuletzt des Fragens nach ihren eigenen Voraussetzungen und Bedingungen von ungebrochener Lebendigkeit, Aussagekraft und Relevanz.

Es sind die beiden Vertreter der älteren Generation, die jeweils an den beiden gegensätzlichen Polen, die van Doesburg in sich vereinte, anknüpfen: So spürt Henk Peeters (1925), Mitbegründer der Gruppe ‚nul’, dem dadaistisch-subversiven Moment, mit Lust und Humor nach. Das rationale, auf die geometrischen Grundformen reduzierte Repertoire von Bob Bonies (1937) dagegen gründet auf de Stijl. Dazwischen spannt sich ein weites Feld unterschiedlicher Anknüpfungsmöglichkeiten. Die Arbeiten von Krijn de Koning (1963), Arjan Janssen (1965) und Guido Winkler (*1969) zeigen deutliche Verbindungen zu de Stijl, doch steht bei ihnen weniger das serielle Variieren der vollkommenen geometrischen Form als vielmehr ein eher spielerischer, sinnlicher Umgang mit Objekthaftem, Raum, seinen Grundelementen und Grundfarben im Vordergrund.

WJM Kok (*1959) wiederum treibt die Konkretion der Malerei an ihre äußerste Grenze, wenn er in seinen konzeptuellen Arbeiten die Bedingungen von Malerei und ihrer Wahrnehmung befragt.

Gracia Khouw (1967) arbeitet in freier typologischer Setzung mit Sprache und Schrift, während Piet Tuytel (1956) mit dadaistischem Augenzwinkern Gebrauchsmaterial, strenge Form und Serialität miteinander verbindet. José Heerkens (*1950) schließlich hat sich von der Abstraktion hin zu einer Konkretion entwickelt, die mit ihren rhythmisch gesetzten Farblinien an Notationen erinnert. Allen Künstler/innen gemeinsam ist, dass sie so international orientiert und vernetzt sind, wie van Doesburg es vorgelebt hat.

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Lebt Theo?
Niederländische Kunst 80 Jahre nach van Doesburgs Manifest zur konkreten Kunst
(Theo van Doesburg)

Künstler: Bob Bonies, José Heerkens, Arjan Janssen, Gracia Khouw, WJM Kok, Krijn de Koning, Henk Peeters, Piet Tuytel, Guido Winkler