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Die Retrospektive wurde von Peter Galassi, Chief Curator, Department of Photography, The Museum of Modern Art, organisiert und reist unter der Schirmherrschaft des International Council. Im Museum of Modern Art hatte sie mit 5.500 Besuchern pro Tag einen sehr erfolgreichen Start. Die Ausstellung im Haus der Kunst ist die erste Präsentation der Retrospektive in Europa und die einzige Station in Deutschland.

Friedlander hat der herkömmlichen Idee des Werkkorpus zu neuem Reichtum verholfen. Eine strikte Auswahl von besten Einzelbildern wäre zwar beeindruckend, würde aber auf brutale Weise beschneiden, was sie zu untersuchen vorgibt. Die Ausstellung stellt sich diesen Herausforderungen, indem sie eng miteinander verwandte Bilder zu etwa 60 Gruppen von Fotografien zusammenstellt, die durch das Datum ihrer Entstehung, ihr Thema und ihren Stil zusammenhängen.

Ende der 50er-Jahre arbeitete Friedlander als selbständiger Fotograf für diverse Zeitschriften. Sein zweites Arbeitsgebiet, Porträts von Musikern für die Cover ihrer Schallplatten, entwickelte sich aus seiner lebenslangen Liebe zum Jazz und anderer Musik. Farbporträts von John Coltrane, Aretha Franklin und Miles Davis gehören zu den wenigen Beispielen von Friedlanders kommerziellen Arbeiten in dieser Ausstellung.

Friedlanders persönliches Werk gelangte bereits 1962 zur Reife. Er erkundete das, was er "die amerikanische soziale Landschaft" nannte: Ladenfassaden, Werbeanzeigen, Fernseher, Autos. Das Neue an Friedlanders Werk war seine Verspieltheit, sein Talent, vermeintliche fotografische Irrtümer in faszinierende Wortspiele und Bilderrätsel zu verwandeln. In seinen Fotografien ist häufig die Sicht versperrt, der Bildausschnitt ist so gewählt, dass etwas Wichtiges nicht zu sehen ist, ein Flachglasfenster führt zur Verwechslung von Innen und Außen oder das Spiegelbild des Fotografen schiebt sich ins Bild.

Der Esprit der Pop-Bewegung, die lässig hingeworfenen Witze und die formalen Neuerungen sollten aus Friedlanders Werk nie mehr völlig verschwinden. Doch ab den frühen 1970ern nahmen seine Sensibilität und seine verschiedenen Stile an Umfang noch erheblich zu. Seine Bilder wurden deskriptiver und empfänglicher für feine Variationen der Textur und des Lichts. Ein weiterer Faktor war seine wachsende Neigung zur Tradition, vor allem zum Werk des französischen Fotografen Eugène Atget (1857-1927).

Von nun an war auch die Quantität von Friedlanders Bildern Teil ihrer Qualität: Selbst die besten von ihnen sind noch besser in Gesellschaft ihrer Verwandten. Wie Peter Galassi bemerkt, war Friedlander nun "imstande, jeden Abfallfetzen in ein aufwendiges Puzzle zu verwandeln". Manche Werke sind persönlichen Projekten gewidmet, andere sind Auftragsarbeiten. Factory Valleys: Ohio and Pennsylvania (1982) ist eine Sammlung von Ansichten des Industriegebiets des Mittleren Westens der USA, begleitet von eloquenten Bildern von Menschen bei der Arbeit. Seine Studien der Arbeiter in Fabriken zeugen von Bewunderung, ja Intimität, doch sie geben nicht vor, Porträts zu sein. Vielmehr sind sie Ausdruck des Respekts vor der Handfertigkeit und beständigen Konzentration von Menschen, "die Dinge machen, die wir alle benutzen", wie Friedlander später gesagt hat.

In den frühen 1990ern wurde sein Wunsch immer stärker, die Landschaft des amerikanischen Westens zu fotografieren. Das veranlasste ihn, eine Mittelformatkamera mit ungewöhnlich scharfem Weitwinkelobjektiv auszuprobieren. Schon kurze Zeit später benutzte er sie für sämtliche Themengebiete. Seine dicht gedrängten Bilder erlauben es dem Betrachter, sich auch unter, über und neben dem jeweiligen elaborierten Bildvordergrund umzusehen und weit entfernte Motive einer genauen Musterung zu unterziehen. In unserer Ausstellung werden Friedlanders Landschaften des amerikanischen Westen erstmals so gründlich und umfassend präsentiert. Diese komplexen Szenen sind Ausdruck seiner Leidenschaft für das Sehen sowie der Fähigkeit seiner Kunst, andere mit dieser Leidenschaft anzustecken.

Pressetext

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Lee Friedlander - Retrospektive
Kooperation: Museum of Modern Art, New York
Kurator: Peter Galassi

Stationen:
05.06.05 - 29.08.05 Museum of Modern Art, New York
16.11.05 - 12.02.06 Haus der Kunst, München