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Die Galerie Karsten Greve widmet der japanischen Künstlerin Leiko Ikemura zum Jahreswechsel eine umfangreiche Einzelausstellung mit neuen Arbeiten aus den vergangenen zwei Jahren. Die Ausstellung umfasst Malerei, Skulptur und Aquarellarbeiten. Im Fokus steht dabei die Verbindung von Realem und Imaginärem, von Mensch und Natur, vom scheinbar flüchtigen Moment und dauerhafter Präsenz, Aspekte, die sich durch Leiko Ikemuras gesamtes OEuvre ziehen. Momente des Übergangs, die Situation der Schwelle als ein räumliches wie metaphysisches Prinzip, beschäftigen Leiko Ikemura vor allem seit Mitte der 1990er Jahre. In der Malerei entstehen die sog. Horizontbilder, in denen der „leere Raum“ durch das Hervortreten der Horizontalen erst als solcher erkennbar wird. Es ist ein Ort der beruhigenden Leere, der tiefen Meditation. Zum Teil zeigen sich einzelne Mädchengestalten, die stehend oder liegend entlang des Horizonts weilen. Sie selbst sind Ausdruck der Schwelle, indem sie sich an der Grenze zwischen Kindheit und Adoleszenz befinden. Während die Gesichtszüge der Figuren in den früheren Arbeiten nur äußerst reduziert angedeutet wurde, zeigt sich in den seit 2007 entstehenden floating faces ein zunehmendes Interesse am individuellen Ausdruck. Unmittelbar wird der Betrachter mit den ausschnitthaft ins Bild gesetzten, seitlich gelagerten, unheimlich und träumerisch wirkenden Feuerköpfen konfrontiert, die in einem dunklen Raum zu schweben scheinen. Die geschlossenen Augen deuten auf einen schlafenden Zustand hin. Erst seit kurzem erweitert Leiko Ikemura die floating faces um die Darstellung eines Horizonts. Der Moment des Übergangs wird hier durch die Schwelle verschiedener Seinszustände zwischen dem Unbewussten und dem sich zum Erwachen hin Öffnen impliziert. Zugleich löst sich das Individuelle der Köpfe und Gesichter durch Leiko Ikemuras Einsatz fließender Farbübergänge wieder auf und nicht zuletzt scheinen die Köpfe mit den Landschaften zu verschmelzen – die floating faces werden zum face scape. Hier kommt nicht nur der Gedanke der Verbindung zwischen Mensch und Natur zum Tragen, sondern simultan operiert Leiko Ikemura mit dem Übergang des Realen zum Imaginären. Ist die beim Betrachter ein Gefühl von Leere, Ferne und Unendlichkeit auslösende Darstellung des Horizonts Gegenstand der Imagination der abgebildeten Figur? Gleichzeitig erinnert uns der gemalte Horizont an bestimmte reale Landschaftseindrücke und der gemalte Kopf entrückt in eine irreale Sphäre. Das Imaginäre und das sich Erinnernde wechseln sich ab und versetzen den Betrachter in einen ständigen Austausch zwischen dem Sehenden und dem Gesehenen, dem Imaginären und Realen. Oftmals arbeitet Leiko Ikemura auf einem Bildträger aus Jute, deren gewebte Struktur sich unter dem Farbauftrag abzeichnet und die inhaltliche Auseinandersetzung formal aufnimmt. Seit jeher durchzieht das Moment der Verschmelzung zwischen Tier und Mensch das plastische Werk Ikemuras und beleuchtet die Situation des Übergangs aus einem wieder anderen Blickwinkel. So sind Vogelmensch oder Waldwesen hybride Erscheinungen unbekannter Bereiche. Die Gleichrangigkeit aller Geschöpfe, die Verwandtschaft, das Miteinander der Kreaturen ist ein immanentes Thema. Leiko Ikemura ist der anthropomorphe Ausgangspunkt von Körperlichkeit wichtig. Dabei erscheinen ihre Figuren oft rätselhaft, entziehen sich einer genauen Definition und stehen mit ihren meist porös behandelten, trockenen und staubigen Oberflächen zeitlos verweilend und für sich gelöst im Raum da. Neuerdings sind Skulpturen von fabelhaften Wesen entstanden, die mit ihren in Silber galvanisierten Oberflächen eine andere Materialität und gleichzeitig eine andere Strahlkraft innehaben. Leiko Ikemura wurde 1951 in Tsu/Japan geboren. 1970 begann sie ein Studium der Bildhauerei in Osaka, welches sie nach ihrer Übersiedlung nach Europa in Sevilla und Granada fortsetzte. Von 1979 bis 1983 lebte sie in der Schweiz, bevor sie 1985 nach Köln umzog. 1983 trat Ikemura erstmals mit einer Einzelausstellung im Bonner Kunstverein in die Öffentlichkeit, der zahlreiche Ausstellungen in international renommierten Häusern folgen sollten: „Beyond the horizon“ im Toyota Municipal Museum of Art / Toyota (2000), „Sculpture Painting Drawing“ in der Kunsthalle Recklinghausen (2004-2005), „Zwischenräume: Leiko Ikemura und Günther Förg“ in der Langen Foundation / Neuss (2007), „Leiko Ikemura: Tag, Nacht, Halbmond“ im Museum zu Allerheiligen / Schaffhausen (2008- 2009). Leiko Ikemura lebt und arbeitet in Köln und Berlin, wo man sie 1991 als Professorin für Malerei an die Hochschule der Künste berief. Aktuell wurde Ihr Werk mit dem August Macke Preis ausgezeichnet.

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Leiko Ikemura
FACE SCAPE