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L'homme gris

14.11.2020 — 06.06.2021

Sie sind ihm sicherlich schon mal begegnet, irgendwo auf der Straße, haben mit ihm gespeist, über seine Witze gelacht, an seiner Schulter geweint, sein Wissen bewundert. Möglicherweise haben sie ihn nicht einmal bemerkt, obwohl er immer da war, auf indifferente, alltägliche Weise präsent, einfach anonym. Aber nie hat er Ihnen seine wahre Natur offenbart, nie hätten Sie gedacht, dass es sich nur um eine Maske handeln, dass dieser Nachbar, Freund, Kollege, dieser Irgendwer der Teufel in Person sein könnte. Doch suchen wir ihn nicht ständig in anderen, um ihn nicht in uns selbst zu finden?

Die Ausstellung L'homme gris geht den nicht archetypischen Darstellungen des Teufels in der zeitgenössischen Kunst nach. Der Teufel ist bei weitem nicht verschwunden, sondern hat lediglich eine andere Gestalt angenommen und beweist damit einmal mehr eine faszinierende Anpassungsfähigkeit, die es ihm erlaubt hat, sich in der Geschichte der Kunst - und der Menschheit - zu behaupten, ohne an Wirkung zu verlieren. Die Art und Weise, wie er sich entzieht, sich verwandelt, eindringt, erlaubt es ihm, eine entsprechend gefährliche, mächtige oder befreiende Position einzunehmen, während sie Künstlern zwei mögliche Ansätze zur Erkundung bietet. Sie haben die Wahl zwischen der leeren Hülle, dem Kostüm zum Reinschlüpfen, dem reinen Bild und einer schwer fassbaren, kontinuierlichen Metamorphose.

Diese spannende Alternative erinnert gar an eigene Verschleierungsversuche oder den Rückgriff auf Anonymität als strategische Waffe; sie offenbart die Verinnerlichung des Bösen im Menschen und seine unerträgliche Banalität, stellt die Grenze zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, der Verkleidung und der Masse in Frage und strebt nach der Wiederbelebung einer düsteren Extravaganz. Die Schöpfung durchdringt fortan also philosophische, wirtschaftliche, politische, ästhetische und ethische Bereiche.

Wie ein Banner schwebt darüber ein Schatten: der große Schatten von C. G. Jung, der Schatten, den der unheimliche Sturz des gefallenen Erzengels hinterlassen hat, der, der das Licht verdunkelt und die Welt in ein gedrücktes, fades, wenn auch umhüllendes Grau stürzt; vor allem der, den Peter Schlemihl dem „grauen Mann" verkaufte und der es ihm, unglücklich und ausgegrenzt, erlaubte, die Wunder dieser Welt zu verstehen und zu bewundern - eine wahre Parabel der Kunst.