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LIAISONS LATENTES
21.04.2018 - 09.06.2018

Eine formal-inhaltliche Einordnung der Fotografien scheint schier unmöglich. Nicht nur, dass jede Kategorisierung der motivischen Vielfalt nicht gerecht werden würde, vielmehr spielen die Bilder insgesamt mit einer Ungewissheit: »latent« nennt der Fotograf diesen Aufschub des Sinns, der eigentümliche Beziehungen (»liaisons«) offenbart: Kein Bild beschränkt sich auf sich selbst, vielmehr bildet es bereits in seinem Erscheinen die Abwesenheit eines anderen ab. Ähnlich einer Spur formiert es sich als Übergang zwischen Präsenz und Nicht-Präsenz, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Entbergung und Verbergung: Ein flüchtiger Blick aus dem Fenster, eine Inschrift im Baum oder die Rückansicht einer Person werden etwa als derartige Spuren begreifbar, die sich verhalten an- bzw. aufkündigen. Zu bleiben, das heißt zu verweilen, sich auf die Spur zu begeben, verheißt vor diesem Hintergrund nicht lediglich eine zeitliche, sondern ebenso räumliche Näherung. Wie sich innerhalb der Fotografien ein grenzenloser Sinnhorizont eröffnet (was sollte etwa jene Inschrift bedeuten?), entgleitet auch die Zeit in eine strukturelle Lücke. Sie stellt sich aus in einer Offenheit, die das Abgebildete als Einfassung eines Nicht-Abgebildeten präsentiert. Jener rezeptionsästhetische Gedanke schlägt sich nun gleichsam auf formale Weise nieder. Wie die Latenz der Bilder inhaltlich einen Aufschub anleitet, verweisen die Bilder in ihrer Rahmung auf einen gemeinsamen (Un-)Ort. Keine Titel oder Bildunterschriften lassen einen Schluss auf die tatsächliche Herkunft der Fotografien zu, verkörpern sie doch selbst eine Kontingenzerfahrung, die schon im beachtlichen Spektrum der fotografischen Motive evident wird: Fassadenelemente treffen auf Skulpturen, menschliche Porträts auf Straßenzüge, verdeckte Tierkörper auf Kruzifixe. Dass diese miteinander vereinbar sind, weil ihre Bedeutung erst im Gegenüber zum Ausdruck kommt, zeigen die Fotografien auf ganz unterschiedliche Weise: Mal ist es nur die dezente Farbanalogie zweier Bilder, mal sind es offenkundig ironische Anspielungen, Verrenkungen und Verwicklungen, die das Spiel der Spuren antreiben. Das Wagnis, das damit einhergeht, bleibt jedem Rezipienten selbst überlassen.

Florian Glück