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In einem neuen Gebäudetrakt des SCHAUWERK Sindelfingen wird ab 1. Oktober 2011 zeitgenössische Fotografie aus der Sammlung Schaufler präsentiert. Insgesamt werden 73 Werke von 28 Künstlern gezeigt – darunter die bekanntesten deutschen Fotografen Thomas Demand, Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff, Thomas Struth und Wolfgang Tillmans, aber auch internationale Größen wie Nobuyoshi Araki, Bettina Rheims und Vanessa Beecroft. Der Entstehungszeitraum der gezeigten Arbeiten umfasst die relativ kurze Zeitspanne von 1979 bis 2007. Die Werke werden in einem ehemaligen Hochregallager der BITZER Kühlmaschinen GmbH präsentiert, in dem eine Tragkonstruktion aus zwei frei stehenden, fünfzehn Meter hohen Wänden errichtet wurde. Eine begehbare Rampe windet sich nach oben und gliedert das Gebäude durch terrassenförmige Etagen.

Innerhalb der Sammlung Schaufler nimmt die Fotografie einen wichtigen Platz ein. Dabei ist es nicht das Medium als solches und seine Geschichte, dem das Hauptinteresse der Sammler gilt. Vielmehr geht es um die Faszination, die von bestimmten Motiven, Bilderfindungen und deren formaler Umsetzung ausgeht. Die klassischen Genre der Fotografie – Akt, Portrait, Landschaft, Architektur oder Industrie – spiegeln sich in den Arbeiten wider, sind aber oftmals Zitate oder Stadien eines konzeptuellen Prozesses. Die meisten Protagonisten innerhalb der Sammlung haben den konventionellen Rahmen der Fotografie hinter sich gelassen. Einige arbeiten neben anderen Ausdrucksformen mit diesem Medium, ohne im strengen Sinn Fotografen zu sein.

Mit Architektur und Raum, insbesondere mit öffentlichen Räumen, setzen sich Günther Förg, Candida Höfer und Thomas Struth auseinander. Von Förg sind drei Aufnahmen von Treppenhäusern zu sehen, bei denen die Perspektive durch den Fluchtpunkt am oberen Bildrand eine besondere Sogwirkung entfaltet. Uninszenierte Aufnahmen öffentlicher Räume sind das Thema von Candida Höfer. Auf der documenta 11 zeigte sie erstmals ihre Serie der zwölf Abgüsse von Auguste Rodins Werk „Die Bürger von Calais“. Von Kopenhagen über London bis nach Philadelphia suchte sie alle Ausstellungsorte der historischen Plastik auf und dokumentierte die unterschiedliche Wirkung des Denkmals im Kontext des jeweiligen Ortes. Zwei Fotos von Thomas Struth zeigen Straßenansichten von São Paulo. In seinen Stadtserien geht es nicht nur um eine dokumentarische Sicht, sondern auch um die urbanen Besonderheiten, in denen sich die Mentalität eines Landes widerspiegelt. Aus der Serie der Museumsfotografien ist die Arbeit „Pergamon Museum 3“ zu sehen.

Die neunteilige Serie „Embassy“ von Thomas Demand gehört zu den wichtigsten Arbeiten der Ausstellung. Hinter der scheinbar banalen, nichtssagenden Oberfläche – lebensgroße Fotos von lebensgroßen Papiermodellen – verbirgt sich eine politisch brisante Geschichte, die der Betrachter allerdings nicht selbst entschlüsseln kann. Es geht um einen Einbruch in die Botschaft von Niger in Rom 2001, bei dem Briefpapier und Stempel gestohlen wurden. Diese Papiere wurden später dazu verwendet, Beweise für einen angeblichen Uranschmuggel an den Irak zu fingieren. Die gefälschten Dokumente dienten der Regierung Bush schließlich als Legitimation für den Irakkrieg. „Embassy“ erzählt die Geschichte des Diebstahls und stellt die Frage: Was ist Wahrheit und was nicht?

Von Andreas Gursky, dem international erfolgreichsten Fotografen der Gegenwart, werden zwei Werke zu sehen sein. Die Arbeit „Cheops“, zeigt die größte Pyramide in Gizeh. Wie in anderen Bildern des Künstlers sieht man Chaos und Gestaltung, Formlosigkeit und Form, Ausschnitt und Monumentalität zugleich. Das Werk „Love-parade“ ist ein Beispiel für Gurskys verblüffende Bildkonstruktionen, die Fiktionen auf der Basis von Fakten sind. Er verdichtet Zeit und räumliches Geschehen in seinen Bildern und zeigt mit Massendarstellungen wie „Loveparade“ Metaphern der Globalisierung.

Thomas Ruff antwortet mit seiner Porträtserie „blaue Augen“ auf den Vorwurf, seine Porträts repräsentieren die neudeutsch-arische Jugend. Als Reaktion ließ er bei zwölf seiner Porträts die Iris durch die leuchtend blaue eines anderen Models ersetzen und verstärken. Ruffs Porträts zeigen in der Regel Personen aus seinem Freundeskreis in hoher Detailschärfe und mit ernstem Blick. Die neutrale, sachliche Aufnahme blendet den sozialen Kontext weitgehend aus und gibt nichts Emotionales Preis.

Um Körper, Identität und die Rolle des Betrachters geht es im Werk von Vanessa Beecroft, die in ihren Performances nahezu nackte Frauen als Tableaux Vivants in Szene setzt. Zwei Arbeiten sind in der Ausstellung zu sehen: die überlebensgroße Fotografie einer Performance, die Beecroft 2002 im Kontext der Biennale von São Paulo durchgeführt hat und ein Triptychon aus dem Jahr 2005, entstanden anlässlich ihrer Performance in der Neuen Nationalgalerie Berlin. Das dreiteilige Foto ist wie ein Gruppenporträt komponiert. Den Frauen, geordnet nach ihren Haarfarben schwarz, rot und blond – entsprechend den deutschen Nationalfarben – ist jeweils eine Bildtafel mit unterschiedlichen Tageszeiten zugeordnet.

Existenzieller und direkter sind die Arbeiten von Nobuyoshi Araki, der mit seinen Fotos gefesselter weiblicher Akte bekannt wurde. Die 69-teilige Serie „Painting flowers“ sieht nur auf den ersten Blick nach harmlosen Blumenbildern aus. Grell leuchtend und feucht glänzend sind die Blüten bemalt, sie beeindrucken sofort durch ihre sinnliche Fülle. Neben verwelkten Pflanzen als Vanitas-Symbole, verweisen Details und extreme Nahaufnahmen in ihrer Form und Stofflichkeit auf Körperhaftes.

Wolfgang Tillmans ist in der Ausstellung mit sechs Arbeiten vertreten. Seine Fotografien sind universale Welt- und Bilderkundungen. Bekannt geworden durch stilbildende Porträts seiner Umgebung, hat sich sein Werk auf die verschiedensten Genres und fotografischen Techniken erweitert. Seine Arbeiten sind getragen von einem zugleich ästhetischen wie politischen Interesse an Wirklichkeitsentwürfen und Wahrheitsansprüchen.

Ein separater Raum ist der 5-teiligen Fotoserie „New York, November 8“ aus dem Jahr 2001 von Starregisseur Wim Wenders gewidmet, die hier zehn Jahre nach den Terroranschlägen des 11. September gezeigt wird. Die Serie wird durch weitere Arbeiten zum Thema New York von Doug Aitken und Michael Wesely ergänzt.

Öffnungszeiten: Samstag + Sonntag 11-17 Uhr

öffentliche Führungen: Dienstag + Donnerstag 15-16:30 Uhr