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Der Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin der Staatlichen Museen zu Berlin präsentiert 2011 eine Auswahl aus der Videosammlung des Berliner Galeristen und Künstlers Mike Steiner (geb. 1941) im Bestand der Nationalgalerie.

Seit Anfang der 1970er Jahre war Steiner einer der frühesten Verfechter der noch jungen Videokunst in der Bundesrepublik Deutschland. Inspiriert von mehreren New York–Aufenthalten, bei denen der ursprünglich aus der Malerei kommende Steiner in Kontakt mit den Entwicklungen von Video und Aktionskunst kam, gründetet er 1976 in der Nähe des Berliner Kurfürstendammes die Studiogalerie. Die Galerie entwickelte sich bald zum prägenden Ausstellungsort für Berliner Videokünstler, die bis dahin wenig Beachtung gefunden hatten, und stellte internationale Pioniere der Videokunst vor. Hier wie auch an anderen Orten produzierte und dokumentierte Steiner Performance-Werke von Marina Abramovic, VALIE EXPORT, Jochen Gerz und weiteren Künstlerinnen und Künstlern. Gleichzeitig betätigte er sich als Sammler und erwarb Arbeiten international bekannter Künstler sowie aus der Berliner Videoszene.

Seit 1970 betrieb er das Hotel Steiner, welches schnell zum legendären Künstlertreff avancierte. Gemeinsam mit dem Fluxus-Künstler Ben Vautier veranstaltete er dort 1979 die Aktion Hotel Room Event, in deren Rahmen 15 Künstlervideos in verschiedenen Räumen des Hotels aufgezeichnet wurden.

In Anlehnung an Gerry Schums visionäre Fernsehgalerie rief Steiner 1985 das Kabel-Pilot-Projekt Die Videogalerie ins Leben und produzierte bis 1990 Sendungen zum Thema Videokunst, die sowohl Arbeiten aus seiner Sammlung vorstellten, als auch zahlreiche Interviews und Berichte von lokalen und internationalen Videoveranstaltungen zeigten. In der Ausstellung Live to Tape werden 17 Werke oder Werkgruppen aus der Zeit 1972–1985 gezeigt. Neben den Videoarbeiten ist auch eine kleine Auswahl an Objekten zu sehen. Tendenzen aus der frühen Zeit der Videokunst werden nachgezeichnet, wobei deutlich wird, dass diese eingebunden war in den internationalen Kontext eines umfassenden Aufbruchs der bildenden Kunst in Form disziplinübergreifender Aktivitäten und Abwendung vom traditionellen Objekt wie sie etwa in der Body Art, Land Art und Conceptual Art zum Ausdruck kamen.

Der Titel Live to Tape ist ein Begriff aus der Fernsehproduktion, wo er ein Verfahren benennt, bei dem eine Sendung live und möglicherweise vor einem Publikum aufgenommen wird, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt gesendet wird. Damit wird ein Fokus auf den Zusammenhang von Live Performance bzw. Aktion und Videokunst geworfen, insbesondere in Arbeiten von Künstlerinnen wie Marina Abramovic oder Ulrike Rosenbach, die vor dem Hintergrund der aufkommenden feministischen Kunstkritik die Grenzen ihres Körpers ausloten. Ebenso zeigt sich dieser Zusammenhang in Tapes von Joan La Barbara oder Charlemagne Palestine, die aus der experimentellen Musik kommen. Arbeiten von Dorothy Iannone und Raimund Kummer sind Teil einer Auswahl aus dem nur wenige Male ausgestellten Hotel Room Event.

Präsentiert wird auch Ulays Aktion Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst (1976), die die zeitweise Entwendung des Carl Spitzweg Gemäldes Der arme Poet (1839) aus der Neuen Nationalgalerie durch den Künstler dokumentiert. Dagegen beschäftigt sich Left Side Right Side (1972) von Joan Jonas mit der Kapazität der sofortigen Wiedergabe (instant playback), die in der frühen Videokunst als grundlegendes Merkmal des Mediums galt.

Die Präsentation Live to Tape wird mit Werken von Cornelia (jetzt Kali) Balcerowiak, Jochen Gerz, KH Hödicke, Lil Picard, Ben Vautier, Helmut Wietz, Wojciech Bruszewski, Friederike Pezold und Endre Tót abgerundet.

Die Videobänder aus der Sammlung Mike Steiner konnten mit Spendenmitteln der Commerzbank AG restauriert werden.

Kuratiert von Henriette Huldisch

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Live to Tape
Die Sammlung Mike Steiner im Hamburger Bahnhof
Kuratorin: Henriette Huldisch

Künstler: Marina Abramovic, Cornelia Balcerowiak, Joan La Barbara, Wojciech Bruszewski, Jochen Gerz, Karl Horst Hödicke, Dorothy Iannone, Joan Jonas, Raimund Kummer, Charlemagne Palestine, Friederike Pezold, Lil Picard, Ulrike Rosenbach, Endre Tót, Ulay , Ben Vautier, Helmut Wietz.