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Eröffnung: Freitag, den 21. November 2008, 18:00 Uhr

Die Kunst Halle Sankt Gallen freut sich sehr die erste Einzelausstellung von Loris Gréaud (*1979, lebt in Paris) in der Schweiz zu präsentieren. In seiner Kunst treffen Extreme und Fetische aufeinander: Das Überdimensionale, Technoide, Luzide, Pyromanische, Schwarze, Strukturelle, Aktive, Elektronische, Geometrische, Expressive, Oberflächliche. Gréaud ist durch seine oft installativen und poetischen Arbeiten bekannt geworden, die sich auf Bildsprachen der Technologie, der Wissenschaft und des Science Fiction beziehen. Immer wieder tauchen im OEuvre des Künstlers bestimmte Materialien wie Neonröhren oder grafisch gemusterte Boden- und Wandbeläge auf, setzt er ungewöhnliche Mittel wie Düfte ein, findet er spannungsreiche, multimediale Übersetzungen in Film- und Soundarbeiten.

Seine Ausstellungen sind gleichzeitig spektakulär und atmosphärisch subtil verdichtet. Der Besucher folgt dabei der vom Künstler ausgerichteten Dramaturgie und erfährt unterschiedliche emotional-narrativ aufgeladene Räume. Mit der Ausstellung «Cellar Door – Never Shies Away from Adopting Bootleg Versions of itself into its Family» in der Kunst Halle wird das Publikum mit einem neuen Projekt von Gréaud konfrontiert, welches sowohl einen Einblick in die aktuellste Produktion des Künstlers bietet als auch die Rolle von Medien, Kunstkritik und Institutionen bezüglich der Laufbahn einer künstlerischen Karriere thematisiert.

Das von Gréaud ortspezifische Projekt verteilt sich in der Kunst Halle über alle Räume und bezieht sich thematisch auf die Kunstkritik und das Medienecho, das seine Einzelpräsentation «Cellar Doors» im Palais de Tokyo (14.02.-27.04.2008, Paris) auslöste. Zum ersten Mal wurde in dieser Institution einem so jungen Künstler die Gesamtfläche von insgesamt 4000 qm2 zur Verfügung gestellt. «Cellar Doors» wurde von Gréaud als eine gigantischphantastische Produktionsstätte konzipiert, die seiner Vorstellung eines idealen Ateliers entspricht und zur Zeit auch in einem Pariser Vorort gebaut wird. Die Rezeption erfolgte in Form einer regelrechten Lawine mit einer teilweise primitiv-plakativen Berichterstattung in Boulevardmagazinen bis hin zu seriösen Tageszeitungen. In St. Gallen findet eine Fortsetzung seines «Cellar Doors» Ausstellungszyklus statt, der als ein systemkritischer Beitrag über die Popularisierung der zeitgenössischen Kunst und dem damit verbundenen Starkult des Künstlers betrachtet werden kann. Dabei wird der Besucher hier unter anderem in einem Konfettiregen spazieren gehen können, der von im Raum stehenden Konfetti-Kanonen in die Luft geschossen wird. Das „Kanonenfutter“ besteht aus der ganzen Vielzahl an Presseartikeln, die Gérauds Ausstellung im Palais de Tokyo kommentiert haben.

Eine überdimensionale Radio-Antenne wird einen original gesendeten Radiobericht über die Ausstellung von Loris Gréaud ausstrahlen (France Culture, «Tout arrive», vom 22. Februar 2008), bei dem sich drei verschiedene KritikerInnen sowohl positiv als auch negativ über die Arbeiten äußern. Zu hören ist dennoch nichts, da der knapp 30-minütige Radiobeitrag zuvor in die Gebärdensprache übersetzt wurde. Hier findet eine weitere Aneignung der Kunstkritik durch den Künstler statt indem er die Stimmen der KritikerInnen zum Schweigen bringt und ihnen ein Auditorium verweigert. Gleichfalls wird auch der Besucher der Ausstellung aufgefordert sich seine eigene Kritik zu imaginieren.

Parallel dazu wird Gréaud nicht nur metaphorisch an der Statik der Kunst Halle „rütteln“. Die Wände und Säulen sind mit einem elektronischen Vibrationssystem ausgestattet, so dass die gesamte (Bau-)Struktur der Institution in messbare Schwingungen versetzt wird. Die Stärke der Schwingungen wird durch das Elektrozephalogramm des Künstlers bestimmt, die einer Messung seiner Gehirnströme beim Nachdenken über das Projekt «Cellar Doors» entstammen. Seine Gedanken werden materialisiert und im Raum physisch spürbar gemacht. Hier wird der Künstler in seiner Rolle als Impulsgeber dargestellt, der die Kunst Halle als Stellvertreter für das Kunstsystem zum Einsturz bringen könnte.

Loris Gréaud besuchte Anfang der Neunziger Jahre das Conservatoire de Musique in Paris, brach das Musikstudium ab und gründete kurzerhand sein eigenes Musiklabel «Sibilance Production» für Elektronische Musik. Später schloss er ein Studium an der École Nationale Supérieure d’Arts de Paris- Cergy ab. Zusammen mit den Architekten Marc Dölger und Damien Ziakovic arbeitete Gréaud in einem interdisziplinären Team unter dem Namen «DGZ» und entwickelte mit ihnen utopische Projekte wie zum Beispiel eine Luft- Architektur, eine unsichtbare Skulptur, schwarzen Champagner und Bonbons ohne Geschmack. Er hatte bereits zahlreiche Ausstellungen: Palais de Tokyo, Paris, 2008; CCA Wattis, San Francisco, 2008; ICA, London, 2008; Barbican Center, 2008; Gallery Yvon Lambert, Paris, 2007; Auckland Art Gallery, Auckland, 2007; Frac Auvergne, Clermont Ferrand, 2007.