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Linien ziehen, schreiben, ritzen, zeichnen gehört zu den elementarsten Äußerungen menschlicher Mitteilung. Linien beschreiben den Boden, auf dem wir stehen, markieren den Horizont unserer Wahrnehmung. Linien definieren, trennen, begrenzen, verbinden. Sie können Spur einer Aktion sein, subjektives Seismogramm oder objektives Mittel rationaler Konstruktion. Ludwig Wertenbruchs sehr eigenwilliger Umgang mit der Linie führt von bewegten, schwingenden Formen zu zunehmend strengerer Anwendung. Dabei entstehen „polyphone“, partiturartige Kompositionen, die in der Heidelberger Ausstellung auch musikalisch ausgedeutet werden. Der Künstler selbst schreibt über seine neueren Arbeiten: Parameter meiner Arbeit sind Linie, Fläche, Form, Farbraum. Die mit Ölkreide gezeichnete Linie hat eher einen grafischen Wert, der dadurch noch betont wird, dass das Weiß des Papiers ähnlich wie ein „Hof“ die schwarze Linie umgibt. Eingebettet ist dieser Bereich in Ölfarbe, wobei der Farbton einen ganz speziellen Grundklang besitzt. Die Linie ist eine horizontale Bewegung durch den Farbraum. Dabei handelt es sich aber nicht um eine abgeschlossene Bewegung, Linie und Farbraum werden vielmehr zerstückelt, in Teile unterbrochen und „wachsen“ über das Format hinaus, wie sich ja auch die einzelne Arbeit aus verschiedenen Teilen zusammensetzt. Ich habe die Vorstellung, dass eine Ganzheit nicht darstellbar ist. Bei den neueren Arbeiten erhält die Linie eine Art „Echo“ durch die Farbflächen, die mehr oder weniger auf die Kreidelinie reagieren. Durch die Bewegung entsteht ein Rhythmus, eine Bewegung in der Zeit. So werden Zeitabschnitte sichtbar gemacht. Darüber hinaus könnte es sich bei der Linie um eine Visualisierung von Tönen handeln. Einen Rhythmus erkennt man z.B. an der Art und Weise wie jemand spricht, singt oder geht, in langen Sätzen oder Schritten, in melodischer Sprache oder in hektischer Ausdrucksweise (Staccato). Die kurze Linie entspricht dem Augenblick, die längere dem längeren Zeitabschnitt oder, analog: kurzer Ton, langer Ton. Ähnlich verhält es sich mit den entsprechenden Farbflächen der neueren Arbeiten, die auf die Kreidelinien reagieren. So entstehen Proportionen von kurz, lang, länger usw. Eine Proportion kann Spannung, Harmonie oder Beruhigung beinhalten. Der Farbton selbst, z.B. ein dunkles Blaugrün, kann eine dunkle bis melancholische Stimmung assoziieren. Hier wird die Nähe zu visualisierten akustischen Tönen, zur Musik, deutlich. In meinen Arbeiten gibt es keine Zentrierung, nur Aneinanderreihung bzw. Gleichzeitigkeit. Nichts bleibt, unaufhörliche Veränderung, Aufeinanderfolge stellt sich ein. Mir geht es um die Sichtbarmachung von Vergehen, Verklingen in der Zeit. Ludwig Wertenbruch, geschrieben im Zug von Krefeld nach Heidelberg am 22.06.04

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Ludwig Wertenbruch - Rhythmus und Klang