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Luzia Simons wurde 1953 in Brasilien geboren, besitzt einen französischen Pass und lebt seit 1986 überwiegend in Stuttgart. Sie absolvierte ein Studium der Bildenden Kunst in Paris und arbeitete zunächst als Bildhauerin in Frankreich. Die Fotografie entdeckte Luzia Simons in den achtziger Jahren in Deutschland, wo sie begann, eine Camera Obscura für ihre ausdrucksvollen Bilder zu nutzen.

Hauptthema der künstlerischen Arbeit von Luzia Simons ist die “condition humaine” des modernen Menschen als Migrant zwischen verschiedenen Gesellschaften und Kulturen. In diesem Sinne verleiht Luzia Simons’ Werkserie Stockage dem althergebrachten Genre des Blumenstilllebens vielschichtige kulturelle und gesellschaftliche Konnotationen.

Die Künstlerin bedient sich für Stockage modernster Technik: sie fertigt Scannogramme von Tulpen an, um detailgetreue Abbildungen der Blüten, Blätter und Stängel der Blume zu erhalten, die dann als großformatige C-Prints auf Aluminium aufgezogen oder als Ultrachrome Inkjet direkt auf Aluminium gedruckt einzeln oder in Gruppen gezeigt werden.

Der Scanner, auf den die Künstlerin die Blumen legt, zeichnet streng linear das Ertastete auf. Nähe bewirkt Detailgenauigkeit, während Entferntes in ein undurchdringlich wirkendes Dunkel entschwindet. Objektiv und ungeschönt baut der Scanner Pixel für Pixel ein Abbild der Blumen auf, wobei aber auch Beschädigungen der zarten Blüten oder erste Anzeichen des hinter all der Pracht schon lauernden, unabwendbaren Verfalls sichtbar gemacht werden. Die Tulpe wird bei Luzia Simons aufgrund ihrer “nomadischen” Geschichte zur Metapher für Mobilität, Globalisierung, und interkulturelle Identität.

Einst wurde die begehrte Blüte mit Gold aufgewogen und entwickelte sich im Orient wie im Okzident zu einem kulturellen Symbol. Aus dem Orient stammend, wurde sie nach Europa gebracht, in den Niederlanden durch Züchtung verändert und erreichte schließlich in neuen Varianten erneut ihre alte Heimat – so der moderne Mensch: auch er ist an verschiedenen Orten beheimatet und verinnerlicht alte und neue Strukturen.

Während die mit dem Scanner erzeugten Tulpenbilder die kunsthistorische Tradition der niederländischen Stilllebenmalerei in “zeitgemäßer” Form zitieren, wird ihnen in Studio 2 des Künstlerhauses Bethanien die spitzblättrige Blütenform türkischer Tulpenornamente in Form einer Bodeninstallation gegenüber gestellt: den an byzantinische Mosaike erinnernden “Blütenteppich” hat die Künstlerin aus Lokum, einer farbenprächtigen orientalischen Süßigkeit in Würfelform gelegt.

Mit der "Nomadin" Tulpe und ihrer Darstellung in unterschiedlichen künstlerischen Medien setzt Luzia Simons verschiedene Kulturen in Beziehung zueinander und stellt damit auch die Frage nach der zeitgenössischen Bedeutung von Begrifflichkeiten wie Heimat und Identität. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (dt./engl./frz.) mit zahlreichen Farbabbildungen und Essais von Claudia Emmert, Werner Knoedgen, Michel Métayer und Christoph Tannert. Wir danken der Galerie Vero Wollmann, Stuttgart und dem Centre de Photographie de Lectoure, Frankreich, für die freundliche Unterstützung des Katalogs.

Ausstellung und Katalog wurden ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin.

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Luzia Simons
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