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Madeleine Boschan‘s bildhauerische Arbeit ist ein fortgesetztes Ringen mit der schwebend physischen Ausdehnung und der grafischen, linear bündelnden Verdichtung von plastischen Kräften im Raum. Aus nicht zusammengehörigen Fundstücken und industriellem Ausschuss fügt sie ihre bald schroffen, bald anmutigen, ihre verklappt und sperrig, fragil, zart und schneidend dastehenden Plastiken.

Es beschäftigen sie verschrobene Apparaturen, abseitige Maschinen und afrikanische Stammeskunst. Sie betont, dass ihre Arbeiten gleichsam aberwitzige Heiterkeit wie spürbare Bedrohung erlangen und vor Augen bringen sollen. Die verwandten Materialien verlieren ihren vormaligen Gebrauchswert und ihre entwürdigend zweckdienliche Funktionalität, doch gewinnen sie sich dabei als selbstbewusste Dinge und entziehen sich widerständig unserem Einfluss.

Ihre plastischen Konstellationen erzeugt Madeleine Boschan als diagrammatisierende Ensembles, die in ihrer disparaten Anordnung durchaus psychogeografischen Karten ähneln. Sie selbst spricht mit Blick auf die Verhaltensbiologie von „rudelhaften Systemen“ und lässt ihre Arbeiten derart plastische Meuten bilden. Man trifft in diesen zirkulären Verschaltungen auf primärfarbig ausschreitende Teknopoden (Siehe dazu: Gilles Deleuze und Félix Guattari, „1837. Zum Ritornell“, in: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie II, Berlin 1992, S. 431), chimärenhafte Elektromanilen, die in mysteriösen Übertragungsritualen nicht länger Wasser, sondern Elektrizität verströmen, sowie auf sich in hermetischer Verborgenheit bloßstellende Kupplungsschreine. Die einzelnen Bestandteile dieser höchst ausdifferenzierten, vielheitlichen Gefüge führen beinahe ‚animalische‘ Beziehungen miteinander: Im Raum stehen sie da, belauern einander und den Betrachter gleichermaßen.

Dazu setzen sich die Plastiken in das unerbittlich kalte Kunstlicht ihnen einverleibter Neonröhren, mit denen sie sich selbst illuminieren, mit denen sie ihren eigenen Ort als Lichtung halten und den umgebenden Raum umreißen. Eine abgründige Dopplung, mit der sich die Elektrizität in selbstgezeugtem Schein ausstellt. Bisweilen sind es wahrlich kommunizierende Röhren, die aus gasbeseeltem Inneren in unentschlüsselbarem Rhythmus Zeichen aussenden, lichte Botschaften austauschen, „mit anderen elektrischen Geräten, in Haushalten, in Fabriken, auf den Straßen, Verbindung aufnehmen. Alle haben sie etwas zu erzählen.“ (Thomas Pynchon, „Die Geschichte von Byron, der Birne“, in: Die Enden der Parabel (1973), Reinbek bei Hamburg 2000, S. 1024.)

Mögen Madeleine Boschans Plastiken auch wie verwaiste Relikte oder aufragende Stahlrohrtotems in einem dystopischen, nachmodernistischen wasteland erscheinen – darin Jean-Luc Godards Alphaville, Chris Markers La Jetée oder Godfrey Reggios Koyaanisqatsi vergleichbar –, besitzen sie doch eine ganz eigene Belebtheit, die aller Hoffnungslosigkeit zum Trotz, entgegen aller wie Sand verrinnender Zeitlichkeit ein mögliches Entkommen öffnet.

Den Ausstellungstitel mit seiner afrikanischen Anmutung entlehnt sie dem aufgeputschten Massenspektakel des Wrestlings. »Kayfabe« (ke?fe?b) entstammt dem Pig Latin, einer englischen Kunstsprache, und ist ein backslang-Konglomerat aus „be fake“ und der Nachsilbe „-ay“. Im Wrestling steht »Kayfabe« für das ambivalente Einverständnis mit einem Schauspiel, das vorspielt, echt, wirklich und eben keine Illusion, kein fake zu sein, wenngleich dies allen Beteiligten äußerst bewusst ist.

Und so nimmt Madeleine Boschan das Gefundene, entformt es und setzt es gewandelt wieder zusammen. Fast so, als täuschten die noch erkennbaren Materialien ihre vormalige Identität mit unnatürlichen, „gefälschten Signalen“ lediglich vor, wissend, dass sie in technoider Mimikry längst zu etwas ganz anderem, zu Plastiken nämlich, geworden sind. Ein verfremdendes Vorgehen, das unsere ready made-Welt nicht in schlichter Kopie dem Vergessen preisgibt, sondern sie vielmehr drängend gegenwärtig hält und in dieser Auflehnung verständlicher macht.

Christian Malycha

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Madeleine Boschan
Kayfabe